1774 - Ranjas Rudel
zahm – oder?«
»Genau, sie sind nicht zahm...«
»Werwölfe?«
»Gut geraten. Oder so ähnlich.«
Ich ging darauf nicht ein. »Sie haben sich schon ein Opfer geholt, nehme ich an.«
»Es war nicht zu vermeiden, und es wird auch nicht das letzte Opfer sein.«
»Dann stehe ich auch auf der Liste?«
»Natürlich.«
»Das passt mir nicht.« Ich änderte die Zielrichtung meiner Waffe. Bisher hatte ich auf die Frau gehalten, nun waren die Wölfe für mich wichtiger.
Ich hatte nicht die Gewissheit, dass es Werwölfe waren. Aber wenn, dann hatten sie gegen geweihte Silberkugeln keine Chance, und ich wartete darauf, dass sie sich in Bewegung setzten.
Noch blieb alles starr.
Bis ich den Pfiff hörte.
Es war das Zeichen für die beiden Wölfe zum Angriff...
***
Eigentlich hatte Kate Milton vorgehabt, die Fahrt allein zu verbringen. Jetzt dachte sie anders darüber. Sie hatte John Sinclair kennengelernt und sah ihn als einen interessanten Mann an. Nicht dass er ein Geheimnis gehabt hätte, aber irgendetwas machte ihn schon geheimnisvoll. Möglicherweise war er anders, als er sich gab, steckte etwas hinter ihm, das interessant sein konnte.
Trotz ihres schon fortgeschrittenen Alters stand sie dem Leben aufgeschlossen gegenüber. Sie war immer neugierig. Es gab nur wenig, für das sie sich nicht interessierte, und in diesem Zug war auch nicht alles ohne.
Es gab die Tiere. Die Wölfe. Davon war sie überzeugt. Das waren keine Hunde, und sie hatte auch ihren Mitreisenden überzeugen können. Sinclair war aus dem Abteil gegangen, um sich auf dem Gang und in einem anderen Abteil umzuschauen.
Bis jetzt hatte sich nichts getan. Es war nichts zu hören. Keine Stimmen, aber auch keine verdächtigen Geräusche. Man konnte von einer ungewöhnlichen Ruhe sprechen. Das gefiel ihr nicht.
Kate Milton wollte wissen, was sich draußen im Gang tat. Sehr wohl war ihr nicht dabei, aber das hielt sie nicht zurück.
John Sinclair hatte beim Verlassen die Tür wieder geschlossen. Jetzt musste sie geöffnet werden, und Kate legte ihre Finger um den Griff. Sie dachte an nichts. Oder wollte an nichts denken, was auf Gefahren hinwies. Innerlich verspürte sie schon die Anspannung, die sie nur lösen konnte, wenn sie die Tür öffnete.
Das tat sie auch.
Nicht ruckartig. Mehr langsamer. Eine erste Lücke entstand, die wenig später an Größe zunahm, sodass sie den Kopf durch die Öffnung strecken konnte. Wie nebenbei hatte sie zuvor noch das Vorhandensein einer Notbremse registriert. Direkt über ihrer Abteiltür.
Und jetzt?
Kate schaute nach links. Ihr Kopf befand sich noch in Bewegung, als sie weiter vorn ein krachendes Geräusch hörte, dem ein Splittern folgte.
Dass dies alles andere als normal war, wusste sie und richtete ihren Blick dorthin.
Sie sah John Sinclair. Er befand sich im Gang, aber er war nicht allein. Das Bild, das Kate Milton sah, hätte sie nie für möglich gehalten. Doch in einer Nacht wie dieser war nichts wie sonst. Sie bekam den Mund vor Staunen nicht zu. Dass John Sinclair eine Pistole in der Hand hielt, das sah sie noch, weil er leicht schräg stand und auf etwas zielte, das bei ihr ebenfalls Kopfschütteln verursachte.
Es waren zwei Wölfe da.
Nur nicht allein. Es gab noch eine Frau, die zwischen ihnen stand. Und die hatte Kate Milton schon zuvor bei ihrem Gang durch den Zug gesehen.
Dieser Frau gehörten die Tiere, sie war ihre Chefin, Herrin, wie auch immer.
Jetzt wurden sie von Sinclair bedroht. Das hatte Kate registriert, aber sie dachte auch einen Schritt weiter. Es gab nicht nur die beiden Wölfe, die sie sah. Im Abteil mussten sich noch zwei andere aufhalten. Sie hörte auch, dass Sinclair und die ihr unbekannte Frau miteinander sprachen. Was sie sagten, war nicht genau zu verstehen.
Etwas verstand sie doch.
Da war von Opfern die Rede.
Und das traf sie wie ein Schlag, der ihr die Luft abschnürte. Sie wollte kein Opfer sein. Sie wollte auch nicht sterben, und sie wollte in keinen Schusswechsel geraten. Deshalb musste etwas passieren.
Kate wusste auch was.
Sie brauchte nicht mal einen langen Schritt nach hinten zu gehen, ein kurzer reichte aus. Dabei legte sie den Kopf in den Nacken und schaute in die Höhe.
Der signalrote Griff der Notbremse war nicht zu übersehen. Und er befand sich auch in ihrer Reichweite.
Sie packte ihn und zerrte daran.
Was dann geschah, war vorauszusehen, und die alte Frau hoffte, es auch zu überstehen...
***
Es kam alles anders, als ich es mir vorgestellt
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