1774 - Ranjas Rudel
fahrenden Zug abgegeben wurden oder aus dem Abteil kamen, denn Stimmen hörte ich nicht.
Ich musste die Tür öffnen.
Einen Druck spürte ich schon in der Brust. Es war auch verrückt, das gab ich gern zu. Ich hatte nicht die Absicht gehabt, in einen Fall zu geraten, aber wer fragte mich schon?
Ein letzter tiefer Atemzug. Die Anspannung und die leichte Nervosität unterdrückte ich.
Dann fasste ich den Griff an – und schob die Tür im nächsten Augenblick zur Seite...
***
Ich hatte mich auf eine Überraschung gefasst gemacht, und doch sah ich ein Bild, mit dem ich nicht gerechnet hatte.
Es gab die Wölfe tatsächlich, die dicht nebeneinander standen, weil sie sich beim Öffnen der Tür aufgerichtet hatten. Für den Bruchteil einer Sekunde schaute ich in die gelblichen kalten Augen und wusste nun hundertprozentig, dass ich es nicht mit irgendwelchen Schäferhunden zu tun hatte.
Das waren Wölfe. Und das waren auch besondere Tiere, das sagte mir mein Gefühl.
Aber ich sah noch mehr.
Drei Menschen.
Eine schwarzhaarige und dunkel gekleidete Frau, die stand und irgendwie beherrschend wirkte. Mir fielen ihre asiatischen Gesichtszüge auf, bevor ich meinen Blick wandern ließ und den Mann sah, der auf der gegenüberliegenden Bank saß und einen ängstlichen Eindruck machte. Er hatte seine Arme ausgestreckt und die Hände ineinander verkrampft. Auch er hatte seinen Kopf gedreht, als ich die Tür aufgezogen hatte, und starrte mich fassungslos an. Den Eindruck hatte ich.
Aber da gab es noch jemanden.
Er lag auf dem Boden und hatte die Beine leicht angewinkelt. Leider schlief er nicht, denn er war tot. Und wie. Ich hielt den Atem an, als ich ihn sah, denn dicht unter seinem Kinn zeigte sich, was ihm widerfahren war.
Man hatte ihm den Hals zerbissen. Die Kehle zerfetzt und schwamm in Blut.
Es war ein Schock, diesen Menschen zu sehen. An der Uniform erkannte ich dann, dass es ein Schaffner war, und dann war mir klar, dass ich mich um die Frau kümmern musste.
Ich wollte meine Waffe ziehen, aber die Person mit den schwarzen Haaren kam mir zuvor. Sie zuckte zusammen, schüttelte sich und stieß einen halblauten Ruf aus.
Er galt ihren Wölfen.
Die reagierten sofort. Sie waren schneller als ich, und ich hatte die Beretta noch nicht gezogen, da sprangen sie schon aus ihrer liegenden Position auf mich zu.
Ich sah nur eine Chance.
Rückzug!
Den Schritt nach hinten gehen und dabei die Tür zuschieben. Sie stand zum Glück nicht ganz auf, ich hatte keine Probleme, sie zu schließen, und hörte den Aufprall der Körper. Ja, den Lauten nach mussten es mindestens zwei sein, die von innen gegen die zugezogene Tür rammten.
Ich hörte die Frau schreien. Es war möglicherweise ein Befehl, der die Wölfe wieder antreiben sollte. Und sie unternahmen einen nächsten Versuch.
Wieder wuchteten sie ihre Körper gegen die Tür. Und diesmal schafften sie es.
Das Glas zerbrach.
Die lauten Geräusche hatten bisher niemand gestört. Auch jetzt verließ kein Fahrgast sein Abteil, um nachzuschauen, was auf dem Gang los war. Ich bewegte mich zurück. Zwei Wölfe hatten es geschafft, sich in den Gang zu wuchten. Die anderen warteten im Abteil, ich hörte ihr Heulen, doch das interessierte mich nicht mehr.
Alles war innerhalb weniger Sekunden anders geworden, denn jetzt musste ich mich gegen zwei Wölfe verteidigen, die möglicherweise zu den Werwölfen gehörten...
***
Es war mir gelungen, die Beretta zu ziehen, die mit geweinten Silberkugeln geladen war. Dabei war ich noch mehr zurückgewichen, mein Finger lag am Abzug, aber ich zog ihn noch nicht nach hinten, denn die Tiere taten nichts.
Sie hockten da und warteten. Vielleicht auf einen Fehler von mir oder darauf, dass man ihnen etwas befahl. Vor mir waren keine anderen Fahrgäste in den Gang getreten. Was hinter mir los war, bekam ich nicht mit, aber ich musste mich nicht anstrengen, um die Szenen weiterlaufen zu lassen, denn die zerstörte Tür wurde aufgeschoben und eine Person trat hindurch.
Es war die schwarzhaarige Frau mit dem leicht asiatischen Aussehen. Sie bewegte sich vorsichtig und zugleich geschmeidig, betrat den Gang und drehte sich mir zu.
Für einen Moment leuchtete es in ihren Augen auf, deren Farbe vom Dunklen ins Gelbe überging. Was das zu bedeuten hatte, wusste ich nicht, aber sie ging nicht wieder und starrte mich an. Sie stand dicht hinter den Wölfen und hörte meine Frage.
»Sind das Ihre Tiere?«
»Ja, das sind sie.«
»Und sie sind nicht eben
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