1774 - Ranjas Rudel
Beine vertreten.«
»Das kann ich verstehen.« Sie deutete auf die Tür hinter sich. »Da sitze ich.«
»Danke, das habe ich mir gemerkt.«
»Dann werde ich mal wieder reingehen.« Sie drehte sich um und musste die Tür nicht erst aufziehen, denn sie war nicht zugezogen worden. Bevor die Frau verschwand, sprach ich sie noch an, weil mir etwas eingefallen war.
»Einen Moment bitte.«
»Ja.« Sie drehte sich wieder um. Dabei sah sie mein etwas verlegenes Lächeln und hörte auch meine Frage, die mir nicht so glatt über die Lippen kam.
»Könnte es sein, dass Sie vielleicht hier im Wagen Hunde gesehen haben?« Ich hatte bewusst nicht von Wölfen gesprochen.
»Bitte?« Sie schüttelte den Kopf. »Hunde? Wie sollen diese denn ausgesehen haben?«
»Recht groß.«
»Schäferhunde?«
»Ich denke schon.«
Sie überlegte und kaute auf ihrer Unterlippe. »Nein«, sagte sie dann nach einer Weile, »damit kann ich Ihnen nicht dienen. Und überhaupt, wer nimmt denn Schäferhunde mit auf eine solche Reise?«
»Da gibt es immer Menschen.«
»Wie Sie meinen. Ich jedenfalls habe keine gesehen. Und auch keinen Hund bellen hören.«
»Alles klar«, sagte ich und nickte, bevor ich weiterging.
»Und vergessen Sie Ihr Versprechen nicht!«, rief sie noch. »Ich habe auch was zu trinken im Koffer.«
»Keine Sorge, ich vergesse nichts.«
»Schön.«
Weitergebracht hatte mich die kurze Unterhaltung nicht. Und auf die Einladung würde ich verzichten. Da war mir Kate Milton schon lieber.
Sie hatte mir nicht gesagt, in welchem Abteil ich die Wölfe finden konnte. Ich musste mich schon auf mein Gehör verlassen. Da sie zu mehreren waren, gaben sie bestimmt irgendwelche Laute von sich.
Bis jetzt hörte ich nichts. An drei Abteiltüren war ich vorbei gegangen. Da kein Vorhang zugezogen war, hatte ich einen Blick hineinwerfen können und sie leer vorgefunden.
Es gab noch zwei Abteile vor mir, in die ich hineinschauen musste.
Das erste würde ich nach zwei Schritten erreicht haben. Schon nach einem Schritt wusste ich, dass ich nicht hineinschauen konnte, denn von innen war der Vorhang zugezogen worden. Die Fahrgäste dahinter wollten ihre Ruhe haben.
So dachte ich.
Und dann erwischte mich die Überraschung, denn plötzlich reagierte mein Kreuz...
***
Damit hatte ich natürlich nicht gerechnet. Ich war wie vor den Kopf geschlagen, stand auf der Stelle und spürte das leichte Brennen auf meiner Brust.
Irrtum oder nicht?
Es war kein Irrtum. Das Brennen auf der Brust bildete ich mir nicht ein. Das Kreuz hatte nicht ohne Grund reagiert.
Und schon war ich nicht mehr der private John Sinclair, sondern der Geisterjäger, wie ich von meinen Freunden genannt wurde.
Etwas Kaltes rann meinen Rücken hinab, und ich fragte mich, warum es wieder mal mich erwischt hatte.
Warum hatte sich das Kreuz gemeldet? Das war keine Frage, denn ich wusste genau, dass es etwas in der Nähe gab, das nicht den normalen Maßstäben entsprach.
Ich hatte weiter nach vorn gehen wollen. Das tat ich jetzt auch nach einer kurzen Unterbrechung und erreichte die nächste Abteiltür, die ich zwar sah, durch deren Glas ich aber nicht schauen konnte, weil die Vorhänge zugezogen waren.
Ich blieb stehen.
Jetzt kam es darauf an, zu lauschen, um etwas herauszufinden. Ich fragte mich, wer sich wohl in diesem Abteil aufhalten konnte.
Normal war es nicht, denn dann hätte mein Kreuz nicht reagiert. Hinter den Vorhängen verborgen, musste sich etwas getan haben, und ich machte mir Gedanken darüber, was es wohl sein konnte.
Kate Milton hatte von Wölfen gesprochen, die sie gesehen und gehört hatte. Ich war auf der Suche, um ihre Aussage nachzuprüfen. Und da sie die Wölfe erwähnt hatte, kam mir ein bestimmter Begriff in den Sinn.
Werwölfe!
Sie waren die Perversion dieser Tiere. Sie waren Bestien, das wusste ich aus Erfahrung, denn ich hatte oft genug gegen sie gekämpft.
Und jetzt?
Versteckten sie sich vielleicht hinter dieser Abteiltür mit dem Vorhang davor?
Das war möglich. Und wenn, dann hatte ich es nicht nur mit einem Wolf zu tun, sondern mit mehreren. Das konnte mich auch nicht eben glücklich machen.
Ich musste in das Abteil hinein und ich ließ mir schon mal Ausreden durch den Kopf gehen. Es musste völlig harmlos klingen, wenn ich die Tür aufzog.
Mein Herz klopfte schneller. Ich traute mich noch nicht, sondern wollte zunächst nochmals lauschen, um etwas herauszufinden. Ja, es war etwas zu hören, nur wusste ich nicht, ob die Geräusche vom
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