Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1774 - Ranjas Rudel

1774 - Ranjas Rudel

Titel: 1774 - Ranjas Rudel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
bald vorbei war.
    Wieder vernahm ich eine Stimme. Die Frau sprach mich an, aber eigentlich sprach sie mehr mit sich selbst.
    »Du hast Pech gehabt, Mann mit dem Kreuz. Es wird dir auch nicht helfen. Ich habe seine Stärke gespürt und weiß genau, wovor ich mich in Acht nehmen muss. Du hast Pech gehabt, Sinclair, viel Pech, und bald wirst du hier im See dein Grab finden.«
    Aha, meinen Namen kannte sie also auch schon. Kein Kunststück, denn ich war nie ohne Ausweis unterwegs.
    Die Beretta hatte sie mir abgenommen, ich sah die Pistole in ihrer Hand, als ich für einen Moment die Augen öffnete. Sie ging auf Nummer sicher, hielt die Mündung nach unten gerichtet, sodass sie auf meinen Kopf zielte.
    Das war kein gutes Gefühl, deshalb schloss ich die Augen auch so rasch wie möglich wieder. Gesehen hatte die Frau nichts. Ich merkte, dass sie sich zurückzog. Ihre Kleidung raschelte, als sie sich aufrichtete und neben mir stehen blieb, wie ich mit einem raschen Blick erkannte. Lange behielt sie die Haltung nicht bei. Sie wandte sich ab und ging weg.
    Ich schaute ihr nach. Dabei rechnete ich damit, dass sie die Hütte verlassen würde. Sie blieb allerdings innerhalb der Hütte, nur hielt sie sich nahe der Tür auf.
    Ich blinzelte wieder und hoffte, dass sie verschwinden würde. Den Gefallen tat sie mir nicht. Soeben noch im Rand des Kerzenscheins, verschränkte sie die Arme vor der Brust und schaute zu mir hin.
    Mir war klar, dass sie das Spiel nicht mehr lange mitmachen würde. So fest hatte sie nicht zugeschlagen.
    Ich beschloss, meine Täuschung aufzugeben, und begann mit einem Stöhnen. Dabei schielte ich zu der Frau hin und sah, dass sie zusammenzuckte. Sie hatte es gehört, und jetzt war ich gespannt, wie sie reagieren würde.
    Sie schaute zu mir hin. Dann ging sie einen Schritt vor und hielt wieder an.
    Ich stöhnte erneut, blieb liegen und fuhr mit dem Handrücken über mein Gesicht. Das Stöhnen lockte die Frau in meine Nähe.
    Sie umging die Kerzen und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Ja, es war die Frau aus dem Zug, und sie hielt meine Beretta in der Hand. Sie hielt sie ganz locker. Selbst als sie in meiner Nähe stehen blieb, zielte sie nicht auf mich, sie bückte sich und wartete darauf, dass sich bei mir etwas tat.
    Ich enttäuschte sie nicht. Zuerst drang aus meiner Kehle ein weiteres Stöhnen, dann bewegte ich den Kopf und tat so, als wollte ich mich aufrichten.
    »Moment, Sinclair, ich bin ja nicht so. Ich werde dir helfen. Warte.«
    »Danke!«, hauchte ich.
    »Du bist ja auch kein Übermensch und völlig normal, wie ich sehe. Aber nur auf den ersten Blick. Wer bist du wirklich?«
    »Das wissen Sie doch«, erwiderte ich. »Sie haben mich doch bestimmt durchsucht.«
    »Kann man sagen.«
    »Dann ist ja alles klar. Außerdem bin ich zu erschöpft, um etwas zu sagen oder lange Reden zu halten.«
    »Das musst du auch nicht. Ich will von dir nur ganz schlichte Dinge erfahren.«
    »Bitte.« Nach dieser Aufforderung fuhr ich mit dem Finger an meiner linken Kopfseite entlang und spürte die abgeschabten Stellen, wo die Haut in Mitleidenschaft gezogen worden war.
    Ich zuckte leicht zusammen, blieb aber liegen, denn das war die erträglichste Lage für mich.
    Der Schmerz war noch immer da, aber ich spürte ihn nicht mehr so stark. Egal, allmählich ging es mir besser und ich war wieder in der Lage, mich zu verteidigen.
    Ob mir das allerdings waffenlos und gegen drei gefährliche Wölfe gelang, war die Frage.
    Und zu einer Frage hatte sich auch die Frau aufgerafft. »Wer bist du wirklich?«
    »Das wissen Sie!«
    Sie beugte sich noch tiefer und nickte. »Ich kenne deinen Namen und habe dein Kreuz gesehen. Aber das ist mir zu wenig. Ich will mehr wissen.«
    »Und was?«
    »Weshalb bist du im Zug gewesen?«
    Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken, und fragte mit leicht spöttisch klingender Stimme: »Weshalb sitzt man wohl in einem Zug? Um von einem Ort zum andern zu fahren. Ich wollte von Dundee nach London, nicht mehr und nicht weniger. Zufrieden?«
    »Nein.«
    »Das habe ich mir beinahe gedacht.«
    »Warum? Du bist schon jemand Besonderes. Das Kreuz vor deiner Brust – es ist...«
    »So etwas haben viele Menschen«, unterbrach ich sie. »Sogar welche, die ein Kreuz sonst nicht akzeptieren. Das ist nichts Besonderes.«
    »Auch ein Irrtum.«
    »Wieso?«
    »Ich habe es erlebt, besser gesagt: Ich habe es gespürt. Dieses Kreuz ist etwas Außergewöhnliches, und das

Weitere Kostenlose Bücher