1775 - Totenwelt
tasteten die Umgebung ab.
Es gab nichts, was sie hätte misstrauisch werden lassen. Sie erreichten den Ausstellungsraum und sahen die Exponate in den Vitrinen oder auf den Regalen.
Totenschädel. Keiner sah aus wie der andere, das Gefühl hatten sie zumindest, obwohl es recht dunkel war und sie nicht daran dachten, das Licht einzuschalten. Sie konnten sich auch im Dunkeln weiter bewegen, und sie wussten zudem, wohin sie zu gehen hatten.
Der Wachmann hatte von den glühenden Schädeln gesprochen. Zu sehen waren sie noch nicht, aber die Frauen nahmen einen schwachen rötlichen Schein wahr. Und das nicht in ihrer Nähe, sondern weiter entfernt und zudem aus einem anderen Raum kommend.
Jane deutete nach vorn. »Okay, das ist unser Ziel.« Mehr musste sie nicht sagen, denn Serena huschte bereits los, ohne sich um Jane zu kümmern.
Die Detektivin blieb zurück. Sie hatte allerdings ihre Waffe gezogen und war bereit, sofort zu reagieren, wenn etwas nicht stimmen sollte.
Das musste sie nicht. Sie hörte nur, dass Serena ihren Namen rief. »Komm schnell, Jane!«
»Alles klar.«
Sie lief in den Nebenraum, wobei ihr das rötliche Glühen den Weg wies. Mit jedem Meter, den sie zurücklegte, wuchs ihre Spannung, und dann konnte sie normal sehen, denn sie hatte den anderen Raum erreicht, sah das Glühen jetzt intensiver und sah vor allen Dingen die Gestalt, die sich in seiner Nähe abmalte.
Es war Serena. Sie stand einfach nur da und schaute nach vorn.
Jane nahm sich Zeit. Sie ging recht langsam auf ihre neue Mitbewohnerin zu. Serenas Blick war nur nach vorn gerichtet, und auch Jane tat es ihr nach. Jetzt sah sie ebenfalls das Phänomen und hielt den Atem an, als sie die letzten Schritte ging.
In Serenas Nähe blieb sie stehen und betrachtete die Schädel, die wie auf dem Tablett vor ihr lagen, aber keine Reihe bildeten.
Jane hatte eigentlich vorgehabt, die Frau mit den roten Haaren anzusprechen, doch als sie näher hinschaute, ließ sie es bleiben. Sie wollte Serena nicht stören, die in ihre Betrachtungen vertieft war und ihren Gedanken nachhing.
Jane konzentrierte sich auf die Schädel. Zwischen ihnen standen Kerzen, von denen jedoch keine brannte. Manche sahen aus, als wären sie zur Seite geschoben worden. Vielleicht wurden die Dochte tagsüber angezündet, das war möglich, aber für Jane nicht wichtig.
Sie sah, dass Serena ihre Lippen bewegte. Sie tat es, ohne dass sie etwas sagte. Es konnte sein, dass sie mit sich selbst sprechen musste, um mit sich ins Reine zu kommen. Sie hatte sich verändert. Sie war in sich gekehrt und schien zugleich auf das eingestellt, was genau vor ihnen stand.
Jane hielt sich weiterhin zurück. Serena kam ihr vor, als hätte sie Kontakt zu den Schädeln gefunden, die vor ihr lagen und rot glühten.
Hin und wieder strich sie über ihr Gesicht. Auch über die Unterarme und die Handflächen.
Jane Collins waren die Bewegungen bekannt. Sie erfolgten immer dann, wenn Serena nervös war und auch wieder die blutenden Schnitte erschienen. Möglicherweise stand sie auch jetzt dicht vor diesem Phänomen.
Noch passierte nichts. Serena konzentrierte sich einzig und allein auf das Schauen. Jane wusste nicht, ob sie von ihr bemerkt worden war, aber Sekunden später erhielt sie die Bestätigung.
»Jane...?«
»Ich bin hier.«
»Das ist gut«, flüsterte Serena.
»Hast du Probleme?«, erkundigte sich Jane.
»Warte bitte.«
»Okay.«
»Und tu nichts.«
»Das verspreche ich. Aber was ist der Grund? Warum soll ich hier nur warten?«
Ein leises Lachen folgte. Danach erst so etwas wie eine Erklärung. »Es ist kaum zu fassen, aber sie leben, Jane.«
»Wer? Die Schädel?«
»Ja, so ähnlich.«
»Und wie kommst du darauf?«
»Ich habe Kontakt. Man hat bemerkt, dass ich zu ihnen gekommen bin.«
»Wer hat das bemerkt?«
»Die andere Seite. Ja, die andere Seite. Diejenige, die wir nicht sehen, auf der ich aber bekannt bin. Man hat mich sogar hier begrüßt. Ob du es glaubst oder nicht.«
Da hatte Jane schon ihre Probleme und sie frage: »Wer hat dich denn begrüßt?«
»Jemand, der mich kennt.«
»Hat er einen Namen?« Noch immer konnte Jane mit den Aussagen nicht viel anfangen.
»Nein, nein...«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Ich höre sie in mir. Ich erlebe die Stimmen. Viele Stimmen, verstehst du, Jane?«
»Nein, ich verstehe nicht.«
»Okay, dann hör zu. Man hat mich begrüßt wie eine Tochter, die zurückgekehrt ist.«
»Wieso?«
»Ja, ich wurde wieder aufgenommen in
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