1775 - Totenwelt
Ziel lag.
Jane fuhr langsamer. Sie hatte sich nach vorn gebeugt und ließ ihre Blicke schweifen. Sie suchte nach dem kleinen Museum und hatte das Glück, einen Hinweis zu finden.
»Aha, da müssen wir hin.« Jane lachte. »Du kannst dich schon auf das Ende der Reise einstellen.«
»Mach ich gern.« So ganz ehrlich hatte Serenas Antwort nicht geklungen, aber daran wollte keine denken.
Das Haus lag etwas von der Straße nach hinten gerückt. Zwei hohe Laubbäume streckten sich in die Höhe. Dahinter lag das Museum, das an ein völlig normales Haus erinnerte und eine dunkle Fassade hatte.
Jane stoppte. »Das war’s«, sagte sie. »Wir sollten aussteigen und uns umsehen.«
»Okay.«
Beide Frauen verließen den Wagen. Als Jane ihre Tür zugeschlagen hatte, schaute sie nach vorn zum Eingang hin, und sie schüttelte den Kopf.
Dank ihrer guten Augen erkannte sie, dass die Eingangstür des Museums nicht verschlossen war. Sie stand sogar weit offen, als wäre jemand hinausgelaufen und hätte vergessen, sie zu schließen.
Da stimmte was nicht. Sie schaute zu ihrer Verbündeten hin, die zur Haustür schaute, ohne jedoch etwas zu sagen.
»Was ist los?«
Serena nickte. »Hier ist einiges falsch gelaufen, Jane, das spüre ich.«
»Und was?«
»Ich kann es dir nicht sagen. Es ist einfach ein Phänomen. Hier ist was passiert.«
»Dann sind wir ja richtig.«
»Aber welcher Einbrecher lässt die Tür offen, Jane?«
»Stimmt, keiner wohl, es sei denn, er ist in großer Eile abgehauen, weil er verfolgt wurde.«
»Genau das denke ich auch. Es ist jemand aus dem Haus gelaufen und nicht umgekehrt.«
»Dann ist er weg!«
Beide Frauen überlegten. Wenn die Person verschwunden war, konnte man das als schlecht bezeichnen, aber sie wollten jedenfalls herausfinden, was die Person aus dem Haus getrieben hatte. Und das um diese späte Stunde.
»Ich gehe vor«, sagte Jane.
»Okay.«
Sie wollte den ersten Schritt gehen, als urplötzlich die Männerstimme erklang.
»Bitte, gehen Sie nicht. Sie machen sich nur unglücklich...«
***
Damit hatte keine der beiden Frauen gerechnet.
Deshalb waren sie auch so überrascht. Keine bewegte sich. Sie starrten sich nur an.
»Wer kann das gewesen sein?«
Jane hob die Schultern. »Du kannst mich schlagen oder wie auch immer. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, ich kenne die Stimme nicht.«
»Ich auch nicht.«
»Bitte, nicht.«
Erneut hatte der Mann einen Warnruf ausgesprochen, der von beiden Frauen gehört worden war. Sie schauten stur nach vorn und sahen dort eine Bewegung.
Eine männliche Person, die sich immer wieder umschaute, als fürchtete sie sich davor, verfolgt zu werden.
Es war Jane Collins, die sich in Bewegung setzte und vor dem Mann anhielt.
Im ersten Augenblick war Jane überrascht. Schon allein aufgrund seiner Größe. Hinzu kamen die breiten Schultern, auch eine recht schmale Taille. Der alte Mann passte in die Kategorie Modellathlet, aber auch Modellathleten können Angst haben.
Jane erkannte an seinem Blick, dass mit ihm etwas nicht stimmte.
»Was ist denn los?«, wollte Jane wissen.
»Horror...«
»Bitte?«
Sie bekam erneut die Bestätigung. »Einfach nur Horror. Der nackte Horror.«
»Und wie sieht der genau aus?«
Der Mann atmete schnell. »Er ist drinnen. Ich bin vor ihm geflohen.«
»Aus dem Haus?«
»Klar doch.«
»Und was war daran so schlimm?«
Der Mann holte erst mal tief Luft. »Wie können Sie so etwas fragen? Denken Sie, ich spiele Ihnen hier etwas vor? Keine Sorge.« Der Mann lachte. »Es ist alles echt. So verdammt echt. So schlimm echt.«
Jane hatte bereits bemerkt, dass dieser Mensch nicht schauspielerte. Ihm musste etwas passiert sein, das ihn innerlich aufgerüttelt hatte.
»Nun beruhigen Sie sich erst mal«, sagte Jane. »Es wird nichts so heiß gegessen, wie man es kocht.«
»Hören Sie mit den Sprüchen auf. Die Lage ist zu ernst.«
»Danke für den Rat«, sagte Jane. »Ihrer Uniform nach zu urteilen gehören Sie zu einem Wachunternehmen.«
»Das war nicht schwer zu erraten.«
»Und was haben Sie bewacht?«
»Die Ausstellung hier wird bewacht, damit keine Grufties hereinkommen und die Sachen stehlen.«
Jetzt mischte sich Serena ein. »Sprechen Sie vielleicht von den Totenköpfen?«
»Ja, das tue ich. Sie kennen die Schädel?«
»Nein, das nicht.« Serena lachte. »Ich meine, nicht persönlich, aber ich weiß, dass sie hier vorhanden sind. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
Der Wachmann atmete heftig ein und wieder aus.
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