1781 - Die Nackten und die Seherin
Rücken. Von hier aus wollten sie in den Himmel, jemand konnte sie führen, aber dann musste auch jemand da sein, der sie beschützte.
Der Beschützer sollte ich sein, aber wer führte sie? Der Mann, der vor mir stand?
Ich fragte ihn danach. Den Satz hatte ich noch nicht ganz ausgesprochen, als ich schon die Antwort erhielt.
»Ein Engel wird uns führen.«
»Kennt ihr ihn? Wisst ihr, wie er heißt?«
»Nein, aber er ist schon da. Er wartet in der Nähe. Das habe ich alles erfahren. Es ist genau so, wie es das Schicksal vorhergesagt hat.«
Aus seiner Sicht bestimmt. Ich hatte jetzt einiges gehört, und ich musste noch gewisse Dinge richten. Es gab also drei wichtige Personen, die sich mit denjenigen befassen sollten, die das Fegefeuer verlassen wollten.
Das war der Hammer, und ich fragte mich, wer die anderen Personen wohl waren.
Glenda Perkins, klar. Die mussten sich die Gestalten ausgesucht haben.
Und dann gab es da noch die für mich unbekannte Person, mit der alles begonnen hatte. Die in diesem Haus hier lebte, vor dem ich stand und die ich erst mal suchen musste.
»Hast du dich schon entschieden?«, wurde ich gefragt.
»So einigermaßen.«
»Das ist gut.«
»Darf ich noch eine Frage stellen, die dich oder euch angeht?«
»Immer doch.«
»Wenn ich dich so anschaue, habe ich den Eindruck, einen Menschen zu sehen. Allerdings frage ich mich, ob du wirklich ein Mensch bist, denn im Fegefeuer schreien ja die Seelen der Menschen, oder gibt es da auch Unterschiede?«
»Ja, die gibt es.«
Ich breitete die Arme aus. »Dann mach mich schlau. Dann sag mir endlich, wer du bist.«
»Einer, der zu den Engeln will, und einer, der nicht mehr viel Zeit hat. Wenn die Tageswende eintritt, werden wir unseren Weg in den Ersten Himmel beginnen.«
»Und wer könnte euch aufhalten?«
»Feinde.«
»Vielleicht Engel? Welche, die nicht wollen, dass ihr in den Ersten Himmel kommt? Mir ist inzwischen eingefallen, dass dieser Himmel das Gebiet des Erzengels Gabriel ist, so habe ich es mal in den Überlieferungen des Henoch gelesen. Man muss sehr würdig sein, wenn man dorthin will.«
»Das sind wir.«
Jetzt hatte sich die Stimme schon wie ein leichtes Donnern angehört.
Mir war es egal. Ich dachte nicht im Traum daran, von hier zu fliehen, denn ich wollte wissen, wie es weiterging. Allerdings war es mir nicht mehr möglich, eine Frage zu stellen, denn der Bärtige war plötzlich verschwunden.
Er würde bestimmt nicht wieder zurück in das Fegefeuer gegangen sein. Ich war mir sicher, dass ich bald wieder auf ihn treffen würde. Aber andere Personen zu treffen, das war mir noch wichtiger.
Ich ging davon aus, dass sie sich im Haus aufhielten, und das wollte ich ganz normal durch den Vordereingang betreten...
***
Glenda Perkins war weggesackt. Einfach abgetaucht, als hätte man ihr die Beine weggetreten. Niemand hatte ihren Fall bremsen wollen, und auch Elisa ließ sie am Boden liegen. Sie schaute gegen ihre Handflächen, die einen ungewöhnlichen Glanz verströmten, der dafür gesorgt hatte, dass Glenda in diesen Zustand geraten war.
Jetzt lag sie da, doch Elisa wusste, dass Glenda nicht tot war und bald wieder zu sich kommen würde.
Sie wollte sie nicht hier im Garten liegen lassen, und obwohl es sie einige Anstrengung kostete, schaffte sie es, die Bewusstlose ins Haus zu schleifen.
Zunächst war sie aus dem Weg, und die Bewusstlosigkeit würde für sie auch eine Warnung sein. Sie würde begreifen, dass sie sich nicht alles erlauben konnte. Gewisse Distanzen mussten bleiben.
Glenda lag auf dem Boden. Wer sie anschaute, der hätte sie auch für eine Tote halten können, doch das war sie nicht. Sie war nur in die tiefe Bewusstlosigkeit gefallen, aus der sie bald ganz allmählich wieder aufwachen würde.
Es begann mit einem schwachen Zucken der Beine, und dieses Zucken schien so etwas wie ein Anfang gewesen zu sein, denn auch an den Augen zuckte die dünne Haut.
Und Glenda Perkins spürte wieder sich selbst. Ja, sie war wieder da, sie lebte noch, und das war am wichtigsten. Sie war nicht tot, denn Tote waren nicht in der Lage, irgendwelche Begleitumstände wahrzunehmen. Das war bei Glenda anders.
Sie lag auf der Seite, fühlte unter der rechten Wange etwas Weiches wie ein Fell, aber sie merkte auch, dass dieses Zeug auf ihrer Haut kratzte, was sie nun gar nicht mochte.
Glenda wollte die Beine und auch die Arme anziehen und stellte fest, dass dies noch nicht möglich war. Beide waren zu schwer. Ansonsten spürte
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