1781 - Die Nackten und die Seherin
sie nichts mehr von irgendwelchen Nachwirkungen, sogar der Kopf war frei, aber sie merkte doch, dass ihre rechte Handfläche leicht brannte, und das brachte ihr wieder die Erinnerung zurück.
Glenda wusste jetzt, was passiert war. Sie hatte Elisa die Hand gegeben, und bei diesem Kontakt war es dann geschehen. Plötzlich hatte sie keinen Halt mehr gehabt. Sie war in die Knie gesackt und auf dem Boden gelandet. Danach hatte sie nichts mehr gespürt. Da war ein schwarzer Vorhang über ihre Welt gefallen.
Und jetzt?
Sie war wieder da. Ihr Gehirn funktionierte. Sie hatte sich erinnern können, nur brachte sie das nicht weiter, denn ihr fehlte die körperliche Kraft, um auf die Beine zu gelangen, damit sie von hier verschwinden konnte.
Es ging noch nicht. Zwar konnte sich Glenda bewegen, aber sie bekam die Bewegungen nicht unter Kontrolle. Die Befehle des Gehirns wurden nicht ausgeführt. Als sie das rechte Bein anheben wollte, da schaffte sie es nicht, es blieb bei einem zittrigen Versuch. Bei ihrem linken Bein erlebte sie nichts anderes, und so blieb sie erst mal auf dem Boden liegen.
Nach einigen Sekunden drehte sie sich auf den Rücken. Sie wollte Schwung holen, um sich auf die andere Seite zu drehen. Da klappte es vielleicht besser.
Sie schaffte es. Das eigene Stöhnen hatte ihr Schwung gegeben. Jetzt musste sie versuchen, auf die Beine zu kommen. Glenda sah in der Nähe ein Stuhlbein, hielt sich daran fest und zog sich näher an das Sitzmöbel heran.
Auch das klappte.
Und dann war es für sie wie ein Wunder. Sie gab sich einen Ruck, drehte sich zur Seite, setzte sich auch hin, und all das fiel ihr leicht wie immer.
Sie hatte es geschafft!
Auch das Aufstehen bereitete keine großen Probleme, denn alles lief glatt über die Bühne. Dabei hatte sie damit gerechnet, von einem Schwindel erwischt zu werden, aber auch der trat nicht ein. Sie fühlte sich fast glücklich.
Jetzt musste es nur noch mit dem Laufen klappen, dann war die Welt wieder einigermaßen in Ordnung.
Sie ging die ersten Schritte und sackte nicht in den Knien ein. Das sorgte dafür, dass sie einen Lacher ausstieß, und sie schaute sich jetzt um.
Es brannte in dem Raum, in dem sie sich aufhielt, kein Licht. Dass es trotzdem nicht dunkel war, lag an einem breiten Lichtstreifen, der vom Flur her in den Raum fiel und auch Glenda erreichte, sodass sie etwas sah.
Sie befand sich in einem Zimmer, in dem normale Möbel standen. Das jedenfalls glaubte sie. Hinter der offenen Tür befand sich ein Flur. Dort brannte auch das Licht.
Das war es nicht, was sie elektrisierte. Aus dem Flur und von der rechten Seite her hörte sie Stimmen.
Eine Frau sprach, es war Elisa.
Der Mann gab ihr Antwort. Was er gesagt hatte, das hatte Glenda nicht verstanden. Es war auch nicht wichtig für sie, denn nur die Stimme interessierte sie.
Und die gehörte John Sinclair!
***
Es war nur eine kurze Strecke zu gehen, bis ich mein Ziel erreicht hatte. Die Haustür am Vordereingang tauchte schnell auf, und ich sah, dass im Innern des Hauses doch ein Licht brannte. Es drang zwar nur als schwacher Schein durch eine Scheibe in der Haustür, aber es war vorhanden, und wo Licht brannte, da würde es auch Menschen geben.
Als ich vor der Haustür angehalten hatte, blickte ich noch mal zurück. Nein, es gab keinen Verfolger. Zumindest keinen, den ich sah. Die Dunkelheit hatte alles im Griff.
Auch einen Klingelknopf entdeckte ich, und den drückte ich. Hinter der Tür hörte ich so etwas wie ein Klingeln und dann auch Schritte.
Jemand zog die Tür auf. Es war eine Frau, und es musste diese junge Frau sein, von der Glenda mir berichtet hatte. Sie war wirklich noch jung und auch nicht besonders groß. Rötlich-blonde Haare waren in der Mitte gescheitelt und fielen glatt an den Seiten auf die Schultern. Das Gesicht hatte einen noch etwas kindlichen Ausdruck und die großen Augen schauten mich fast staunend an.
»Guten Abend«, sagte ich.
Sie grüßte zurück. »Darf ich fragen, wer Sie sind, Mister?«
»Gern, mein Name ist John Sinclair.«
»Ah...«
Die Reaktion verwunderte mich. Es kam mir vor, als wäre ich für die Frau jemand, den sie kannte.
»Darf ich eintreten?«
Ich hatte sie überraschen wollen, aber darauf ließ sie sich nicht ein, denn sie hatte ihren eigenen Kopf.
»Warum?«
»Ich glaube, das wissen Sie! Und Sie kennen auch meinen Namen und sind informiert, welchem Job ich nachgehe. In gewissen Kreisen spricht sich das eben herum.«
»Meinen Sie, Mister
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