1791 - Im Dorf der Verdammten
seine Waffe. »Und wenn ich es aus dir herausschießen muss.«
Ich schüttelte den Kopf. So hatte ich Bill selten erlebt. Ich fragte mich, was oder wer ihn dahin gebracht hatte. So schlimm war es nicht. Irma griff uns nicht an und sie traf auch jetzt keinerlei Anstalten.
Das war Bill egal. Er stieß einen Fluch aus, und dann reagierte er blitzschnell. Und auch ich konnte ihn nicht halten.
Ein Sprung brachte Bill in die Nähe der jungen Hexe. Sie wollte noch zurückweichen, aber Bill bekam sie an ihren langen Haaren zu fassen und zerrte sie zu sich heran. Sie prallte gegen ihn, dann fluchte sie und seine Hand schlug gegen ihr Gesicht. Dem nächsten Schlag entging sie durch ein schnelles Ducken.
Ich kannte meinen alten Freund nicht mehr wieder.
»Was ist los?«, fuhr ich ihn an. »Was hast du?«
Er schüttelte sich und auch seine Beute, die er nicht loslassen wollte.
»Ich will wissen, was hier gespielt wird, John, und das soll sie uns sagen.«
»Ja, es geht aber auch anders.«
»Außerdem ist sie eine Mörderin.« Bill hatte sie so hingestellt, dass er in ihren Nacken fassen konnte. So drückte er den Kopf und auch den Oberkörper nach unten. »Durch sie ist Tony Black gestorben. Sie verdient kein Mitleid. Aber ich will von ihr wissen, was hier gespielt wird.«
»Das werden wir auch schaffen.«
»Dann sollte sie rasch etwas sagen.« Mein Freund war misstrauisch. Er behielt sie in seinem Griff, sorgte aber für eine andere Position, indem er ihren Oberkörper wieder in eine normale Lage brachte.
Jetzt stand sie zwischen Bill und mir. Wir schauten uns ins Gesicht. Und sie sah auch in meinen Augen kein Pardon.
Ich sprach sie hart an. »Du hast gehört, was mein Freund gesagt hat. Er hat dich unter anderem als eine Mörderin bezeichnet, und dem stimme ich zu. Du hast den Mann getötet. Du hast ihn in deinem Hexenfeuer verbrennen lassen, und damit hast du dein wahres Gesicht gezeigt. Wer lebt hier in dem Dorf? Nur Hexen, abgesehen von den beiden Reitern, oder auch noch andere Gestalten?«
»Sie sind alle meine Freunde.«
»Ja, das kann ich mir denken. Dieser Ort Caversheen ist ein Sammelsurium schwarzmagischer Geschöpfe, die ein ideales Versteck gesucht haben, aus dem sie grausam zuschlagen können. Aber wer hat hier das Sagen? Ist es Assunga, die Schattenhexe? Kennst du sie?«
Irma sagte nichts. Sie verzog den Mund, dann lachte sie leise, und plötzlich erkannten wir den Grund des Lachens. Es trat eine Veränderung ein. Die irreale Welt, die trotzdem irgendwie real war, zog sich wieder zurück, und ich hatte dabei das Gefühl, dass jemand meine Beine umklammern wollte.
Ich trat aus, der Widerstand verschwand, und dann sah ich Bill Conolly, der sich nach vorn duckte und in den Knien einknickte. Auch ich hatte meine Probleme, denn ich wollte nicht weggezerrt werden und vor allen Dingen Irma als Geisel behalten.
Sie wollte nicht.
Aber ich trug ein Argument bei mir, das ich nun hervorholte.
Es war mein Kreuz.
Und das war die perfekte Waffe, um Irmas Aktivitäten zu stoppen. Ihre Hexenkräfte konnte sie gegen mich nicht einsetzen, und ihr gelang es auch nicht, die Flucht zu ergreifen.
Ich musste sie noch härter anfassen. Deshalb schleuderte ich sie zu Boden. Bevor sie sich aufraffen konnte, war ich bei ihr und stellte ihr einen Fuß auf den Körper.
»Es reicht jetzt!«, erklärte ich.
Sie lag still. Sie sagte nichts. Sie atmete nur heftig und blies mir vom Boden her den Atem entgegen.
»Ja«, sagte Bill Conolly, »jetzt ist wieder alles normal.«
»Was meinst du damit?«
»Wir sind wieder in unserer Zeit«, Bill deutete auf Irma, »und das sollten wir nutzen …«
***
Ja, es war unsere Zeit, wir standen wieder da, wo wir hingehörten. Allerdings gab es kein rötliches Licht mehr, und so standen wir wieder in tiefer Dunkelheit.
Einen Trumpf hatten wir hierher gerettet. Er lag auf dem Rücken und spürte den Druck meines Fußes auf dem Brustkorb.
Ich nahm den Fuß langsam hoch. Bill stand neben mir. Er zielte mit seiner Beretta auf Irma und würde sofort schießen, wenn sie etwas Falsches tat.
Mich beschäftigten ganz andere Überlegungen. Ich dachte darüber nach, wie es möglich gewesen war, dass die Dimensionen so rasch gewechselt hatten. Auf einmal hatte sich die Vergangenheit zurückgezogen, und wir standen wieder dort, wo wir angekommen waren. In der Einsamkeit des Waldes.
Aber wir hatten eine Zeugin oder mehr als das. Sie war eingeweiht und kannte die Wege, die man gehen musste, um
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