1791 - Im Dorf der Verdammten
warf die Arme in die Höhe, brachte ihre Hände über dem Kopf zusammen, fing an zu tanzen, was die Gäste nicht überraschte, denn das kannten sie.
In den ersten Sekunden machte sie den Eindruck einer Bauchtänzerin. So ähnlich bewegte sie sich auch, wobei sie die Arme in die Höhe gestreckt hielt.
Sie tanzte, sie wiegte dabei den Kopf, löste dann den Griff der Hände auf, und ab jetzt wurden ihre Bewegungen noch schneller und auch tänzerischer. Da sah sie aus, als würde sie einen Walzer tanzen, denn sie holte immer wieder stark aus, um sich danach in eine Drehung zu werfen.
Sie nutzte die gesamte freie Fläche im Lokal aus, und wer sie in ihrem kurzen hellen Kleid sah und dann in ihr Gesicht schaute, das bei jeder Bewegung von den Haaren umtanzt wurde, der konnte nur von einer tollen Darbietung sprechen.
Sie war in ihrem Element. Sie wollte die Verführung und kam dabei den Männern immer näher.
Es war wie immer.
Auf einen von ihnen würde ihre Wahl fallen. Hinter ihm würde sie stehen bleiben, um ihm die Hände auf die Schultern zu legen. Ihm würde nichts anderes übrig bleiben, als das zu tun, was man von ihm verlangte. Er würde mit ihr gehen.
Weg aus dem Lokal. Einfach nach draußen und dann erst mal verschwinden.
Noch tanzte sie. Noch wusste keiner, wen sich die Person ausgesucht hatte. Dass es so werden würde, war klar. Sie hatte sich niemals anders verhalten.
Obwohl die Männer über Flucht nachdachten, machte niemand den Anfang. Es gab auch keine falschen Bewegungen, die irritiert hätten, die Starre war geblieben.
Und dann hörte der Tanz auf.
Mitten aus der Bewegung hervor passierte es. Plötzlich blieb sie stehen. Sie bewegte nur noch ihre Arme, und auch das sah aus, als wäre sie auf der Suche.
Das stimmte irgendwie. Sie war auf der Suche. Wäre es anders gewesen, hätte sie nicht zu kommen brauchen.
Es war noch immer kalt.
Aber man konnte auch jetzt nicht von einer normalen Kälte sprechen. Diese hier stammte aus einer anderen Zone, sie war nicht mit einer winterlichen Kälte zu vergleichen, man hätte sie als eine Leichenkälte bezeichnen können.
Es war eine Frau, aber es war zugleich noch etwas anderes. Man konnte sie als ein weißes oder ein bleiches Gespenst bezeichnen. Die Person aus dem Jenseits, die sich dort nicht mehr wohl gefühlt hatte und nun zeigte, wozu sie fähig war. Für sie gab es keine Grenzen. Sie kam, sie huschte herbei und sie ließ sich auch nicht von irgendwelchen Widerständen aufhalten.
Wen suchte sie sich jetzt aus?
Noch war es nicht klar. Hin und wieder gab es bei ihr kleine huschende Bewegungen. Aber es war nichts zu hören. Es gab keinen Kommentar und auch kein Lachen.
Sie ging.
Der Vergleich mit einem gespenstischen Soldaten war nicht aus der Luft gegriffen, so zackig wurde ihr Gehen.
Und plötzlich blieb sie stehen. Sie hatte es mit keiner Geste zuvor angedeutet. Mitten aus der Bewegung hervor war sie nicht mehr weiter gegangen.
Sie schaute nach vorn.
Das Opfer, das sie sich ausgesucht hatte, stand nicht weit entfernt von ihr.
Es war der Wirt!
***
Vorher hatte sie sich immer um einen der Gäste gekümmert. Jetzt aber war es der Wirt, der hinter seinem Tresen stand, starr wie eine Plakatsäule. Er war nicht in der Lage, etwas zu sagen, geschweige denn, etwas zu unternehmen. Aber er wusste Bescheid, denn in seinen Augen breitete sich der Ausdruck einer tiefen Angst aus. Es war nicht zu übersehen. Es hätte nur noch sein Jammern gefehlt, aber das trat nicht ein.
Der Mann mit den dünnen braunen Haaren und dem runden Gesicht war nicht in der Lage, etwas zu tun. Es musste gehorchen. Er spürte, dass er sich nicht bewegen konnte, und er hatte das Gefühl, dass der Blick ihn allmählich zu Eis werden ließ.
»Komm …«
Jeder hatte das geflüsterte Wort gehört. Es war aus dem Mund der Frau gedrungen.
Aber der Wirt zögerte. Er wusste nicht genau, was auf ihn zukam, dass es aber kein Vergnügen war, das wusste er schon.
Einer der Gäste meldete sich. Der glatzköpfige Kevin fuhr den Wirt an.
»Los, du musst es tun!«
»Was?«
»Mit ihr gehen!«
»Nein. Ich will aber nicht!«
»Dann hast du dein Leben verwirkt und wir das Unsrige ebenfalls.«
»Quatsch …«
»Doch, verdammt. Geh endlich mit.«
»Und dann?«
»Was weiß ich denn? Oder was wissen wir? Und du kehrst bestimmt wieder zurück, das ist doch mit den anderen auch passiert.«
»Aber die waren so gut wie wahnsinnig.«
Kevin lachte. »Na und? Lieber wahnsinnig als
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