1798 - Werkstatt des Lebens
meldete sich über Funk.
„Wahrscheinlich hast du recht", stimmte sie zu. „Ich vermute, daß in den letzten zweihunderttausend Jahren immer wieder einmal ein Behälter frei geworden und auf Acctol gelandet ist."
Michael erinnerte sich nicht mehr sonderlich genau an die Art und Weise, in der die Sporenschiffe ihren Auftrag hatten abarbeiten sollen. Aus der Logik ergab sich eigentlich folgende Vorgehensweise: Als erstes wurde eine Ladung On-Quanten gelandet, die die Evolution anheizten - vom Einzeller über Mehrzeller, niedere Tiere wie Quallen und Meeresplankton bis hin zu komplexen, genetisch hochkomplizierten Geschöpfen, die Land, Wasser und Luft als Lebensraum hatten.
Zu diesem Zeitpunkt, also geraume Zeit nach dem Aussetzen der On-Quanten, vermutlich bei einem zweiten Anflug der Sporenschiffe, wurden die Noon-Quanten freigesetzt. Ihre Aufgabe war es dann, die Entwicklung der höchsten Lebensformen bis zur Entwicklung von Ich-Bewußtsein und Intelligenz voranzutreiben.
Begriffe wie niederes oder höheres Leben paßten nicht recht zu Michael Rhodans Vorstellungen von der Welt; für sein Empfinden lag zuviel Bewertendes in diesen Worten. Aber sie konnten dazu verwendet werden, den Prozeß anschaulich zu machen.
Immerhin war ihm eine sehr alte philosophische Aussage geläufig: „Daß der Mensch das höchste aller Lebewesen ist, geht vor allem daraus hervor, daß ihm dies noch kein anderes Lebewesen widersprochen hat..."
Der Satz stammte von Arthur Schopenhauer und hatte sich spätestens seit der ersten Mondlandung Perry Rhodans und dem ersten Kontakt der Erdmenschen mit den Arkoniden überlebt, aber das Eigentliche dieser giftigen Bemerkung war nach wie vor richtig.
„Ich bleibe einstweilen hinter dir zurück, Mike", ließ sich Ronald Tekener vernehmen. „Paß gut auf dich auf. Dort unten ist die Hölle los!"
„Von hier aus sieht es eher aus wie der Garten Eden", gab Michael Rhodan gutgelaunt zurück.
Er ließ die Space-Jet tiefer sinken und betrachtete aufmerksam den Panoramaschirm.
„Von hier aus sind drei Kontinente und ein Dutzend großer Inseln zu erkennen", meldete sich Verena Cassel, die sich freiwillig für den Dienst als Orterin gemeldet hatte.
„Ich kann nichts dergleichen sehen", zeigte sich Michael Rhodan sichtlich verwundert.
„Es scheint alles überwachsen zu sein", murmelte Verena. „Acctol weist einige größere Ozeane auf, dazu eine Vielzahl von kleineren Wasseransammlungen. Es gibt ein paar Gebirgsketten, oder sagen wir besser unregelmäßige Erhebungen über den durchschnittlichen Meeresspiegel. Aber die Wasseransammlungen sind alle nur ein paar hundert Meter tief, und von den Bergen kommt keiner über einen halben Kilometer hinaus."
„Kein Wunder, daß der Planet von oben wie eine einzige Ebene aussieht", merkte Friel Ponsent an. „Acctol erinnert mich an das terranische Amazonasgebiet, alles völlig vom Dschungel überwuchert."
Acctol war ein Stück größer als die Erde und entsprechend massereicher. Die natürliche Schwerkraft lag bei 1,26 des terranischen Standardwertes. Die Temperaturen lagen im Normalbereich, die Luft war allerdings sehr wasserreich. Sich dort unten ohne Schutzanzüge zu bewegen würde eine schweißtreibende Angelegenheit werden.
„Tiefer", ordnete Michael an und griff in die Steuerung.
Zwar konnte man eine Space-Jet auch auf andere Weise fliegen, es hätte beispielsweise genügt, der Bordsyntronik entsprechende Anweisungen zu geben, aber wie viele Piloten hatte Michael es lieber, etwas mit den Händen zu tun und das Fahrzeug zu spüren, wenn er es lenkte.
Auf seltsam irrationale Weise gab das ein Gefühl der Sicherheit - obwohl, rational betrachtet, die Fehlerquote einer Syntronik um etliche Zehnerpotenzen unterhalb derjenigen eines menschlichen Piloten lag.
Die Space-Jet sank langsam auf die Oberfläche des Planeten Acctol hinab. Allmählich schälten sich deutlichere Konturen auf den Bildschirmen der Zentrale heraus.
Von oben betrachtet, nur mit dem bloßen Auge, hatte man den Eindruck eines pointillistischen Gemäldes - oder einer Pixelgrafik, je nach Vorliebe. Farbpunkt neben Farbpunkt, dicht an dicht gesetzt, ergab in der Gesamtschau eine fast einheitlich grüne Oberfläche, aber großzügig mit bunten Effekten durchsprenkelt.
Bei näherer Betrachtung begann der Beobachter allmählich, die einzelnen Schattierungen des Grüns zu unterscheiden, obwohl die unterschiedlichen Regionen so sehr zusammenflössen, daß man die Übergänge von
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