18 - Eine Taube bringt den Tod
in einen Vorraum voller Regale. Vielerlei Gerüche umfingen ihn, angefangen von süß duftenden Kräutern und Gewürzen bis hin zu Dörrfleisch, das an Metallhaken von der Decke baumelte. Das Ganze war mehr wie ein schmaler Gang, den er rasch durchschritt. Weiter hinten gelangte er auf einen Innenhof. An dessen einer Seite befanden sich unter einer Überdachung drei große Öfen aus Lehmziegeln und Feuerstellen, über denen man an einer Eisenstange Kessel zum Kochen auf offenem Feuer hängen konnte. An den Wänden hinter den Öfen hingen Töpfe und Pfannen. In der Mitte des Hofes war ein Brunnen, aus dem man vermutlich Frischwasser zum Kochen schöpfte.
Es handelte sich eindeutig um den Küchenbereich, aber niemand machte sich darin zu schaffen. Das schien ihm seltsam, erwartete man doch, dass für ein so großes Haus Essen zu bereiten war. Auf der anderen Seite des Hofes lagen die Vorratskammern und offensichtlich auch Wohnräume für das Küchenpersonal. Im Vorbeigehen schaute er überall hinein, fand aber keine Menschenseele.
Ganz hinten ging eine weitere Tür ab, und die führte in die Apotheke. Zu seiner Überraschung war sie nicht verschlossen, dabei hing gleich innen am Eingang ein Schlüssel. Vermutlich hatte der junge Arzt vergessen zuzuschließen. Eadulf warf einen prüfenden Blick auf die Regale. Unter anderem entdeckte er in Wasser getränktes Moos, eine Moosart, die streng nach Meereswasser roch. Er kannte sie, denn die rote Alge kam auch an den westlichen Ufern von Éireann zwischen den vom Meer umspülten Felsen vor. Es war genau das, was er suchte.
Er nahm eine Portion heraus und schnupperte daran, um sich zu vergewissern, dass er nicht irrte.
»Was suchst du hier?«
Er fuhr zusammen. Im Türrahmen stand der junge Arzt, der ihn behandelt hatte. Er war groß, hatte krauses blauschwarzes Haar und dunkle Augen, ein gebräuntes Gesicht und eine tiefe Falte in der Stirn, als würde er ständig angestrengt nachdenken.
»Ich suche etwas zur Linderung der Schmerzen in Brust und Kehle und des dumpfen Gefühls im Magen«, antwortete Eadulf und grübelte nach dem Namen des Mannes. »Ich glaube, ich hab’s gefunden.«
Der Arzt warf einen Blick auf das Moos in Eadulfs Hand, und seine Stirnfalte vertiefte sich.
»Du kennst dich offenbar aus mit den Heilkräften von Pflanzen und Kräutern«, mutmaßte er.
Eadulf gestand, dass er die Heilkunst in Tuaim Brecain studiert hatte, einer in Éireann bekannten Medizinschule.
»Von der habe ich nie etwas gehört. Aber mit pioka ruz hast du eine kluge Wahl getroffen. Das Moos dürfte dir deine Beschwerden nehmen.«
Eadulf wiederholte den ihm fremden Namen und fügte hinzu: »In der Sprache von Hibernia heißt es carraigín .«
»Es ist ein gutes Schmerzmittel«, bestätigte der junge Mann. »Du weißt, wie es anzuwenden ist?«
»Wenn ich davon etwas kochen dürfte, um Sirup daraus zu gewinnen?«
»Das kannst du dir sparen. Ich habe das heute früh schon getan. Man kann den Sirup nämlich auch für die Bereitung von Süßspeisen benutzen. Gemischt mit Honig mache ich daraus eine geleeartige Speise, die Lady Trifina besonders mag. Du kannst gern eine Kleinigkeit abhaben.«
Er zeigte auf eine Schüssel, die nicht weitab von dem Moos stand, nahm einen leeren Napf und schöpfte mehrere Löffel voll für Eadulf ab.
»Die sirupartige Masse macht die Kehle geschmeidig und ist auch für den Magen wohltuend. Möchtest du etwas Honig, damit es süßer schmeckt?«
Eadulf probierte einen Löffel voll und schüttelte den Kopf. Es genügte ihm, beim ersten Schmecken zu erkennen, dass es sich wirklich um carraigín handelte. Er nahm eine weitere Kostprobe, und seine Kehle dankte es ihm.
»Wie, sagtest du, heißt das Moos bei euch?«
»Ich weiß nur den bretonischen Namen dafür, und der ist pioka ruz . Es gibt unterschiedliche Bezeichnungen dafür in den jeweiligen Regionen. In meiner Heimat ist es gänzlich unbekannt.«
»Und es wächst hier an der Küste?«
»Ja.«
Eadulf leerte den Napf und nickte befriedigt.
»Das wird meinem Magen guttun.«
»Fühlst du dich schon besser?«
»Jedenfalls besser als zu der Zeit, als man mich aus dem Wasser fischte.« Er grinste.
»Für eine Landung auf der Insel hier hättet ihr keine gefährlichere Stelle finden können«, meinte der Heilkundige.
»Ich heiße übrigens Eadulf.« Er wollte ablenken und hoffte, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
»Das weiß ich.«
»Und du? Ich glaube zwar, deinen Namen schon gehört
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