18 - Eine Taube bringt den Tod
zu haben, aber er ist mir entfallen.«
»Heraklius von Konstantinopel.«
»Demnach bist du Grieche? Dann liegt deine Heimat ja weiter weg als meine.«
»So ist es. Mein Vater, der Kallinikos heißt, stammt aus Heliopolis im Land der Phönizier. Er musste noch vor meiner Geburt fliehen, als unser Heer vor über dreißig Jahren bei Yarmouk von Abu Ubaida ibn al-Jarral besiegt wurde.«
»Tut mir leid, aber von dem Teil der Welt und ihren Bewohnern habe ich nicht die geringste Ahnung«, gab Eadulf kopfschüttelnd zu.
»Abu Ubaida befehligte die muslimischen Heerscharen, und nach unserer Niederlage bei Yarmouk floh die Mehrzahl unserer Leute aus Heliopolis und hinterließ dem Sieger reiche Beute. Mein Vater ging nach Konstantinopel und trat in den Dienst der byzantinischen Kaiser.«
»Das eine oder andere von den Muslimen ist mir zu Ohren gekommen. Während meiner Zeit in Rom war die Rede davon, dass sie über die Küstenstädte herfielen«, bekannte Eadulf. »Ist dein Vater auch Arzt?«
»Nein, er ist Architekt. Einige der großen Bauten, für die Heliopolis bekannt war, sind von ihm.«
»Und du bist Arzt geworden?«
»Ja.«
»Wie bist du hierhergekommen? Die Entfernung zu deinem Heimatland ist beachtlich.«
»Zu Hause haben wir ein Übermaß an Ärzten und Apothekern. Deshalb entschloss ich mich, Konstantinopel zu verlassen und mein Glück woanders zu suchen. Ich schiffte mich bei einem Kaufmann ein und reiste durch das Mittelmeer bis nach Massilia. Schließlich gelangte ich vor einem Jahr in dieses Land, das Bro-Waroch geheißen wird, und ging bei der Adelsfamilie hier in Stellung. Sie waren von meinen Kenntnissen und Fertigkeiten angetan, und so blieb ich.«
»So jung und schon so weit herumgekommen.«
»Ich bin fünfundzwanzig, aber in meiner Familie sehen sie alle jünger aus. Kallinikos hält man eher für meinen Bruder als für meinen Vater.« Eadulf hatte den jungen Mann auf etwa zwanzig geschätzt. Der seinerseits sah ihn neugierig an. »Warum hast du den Beruf eines Heilkundigen aufgegeben? Du hast doch gesagt, dass du die Heilkunst studiert hast.«
»Ich habe das nur studiert, um meinen Brüdern im Notfall helfen zu können, nicht, um meine Zeit in einer Apotheke zu verbringen.«
»Ach ja, ich hatte ganz vergessen, dass du ein Klosterbruder bist. Du begleitest diese Dame aus Hibernia …«
»Meine Frau«, stellte Eadulf klar.
»Oh. Dann vertrittst du nicht die Auffassung wie Abt Maelcar, dass Mönche im Zölibat und von Frauen getrennt leben müssen? Auch wir im Osten sind nicht der Meinung, dass man als frommer Bruder unbedingt keusch und züchtig zu leben hat.«
»Es gab Zeiten, da habe ich daran geglaubt«, gestand Eadulf ein. »Du kennst also Abt Maelcar?«
»Ich beschäftige mich vorrangig mit meinen Experimenten und diene der Familie hier. Doch oft genug segele ich auch zum Festland. Dort bin ich ihm begegnet, aber ich mag ihn nicht.«
Mit Schrecken wurde Eadulf gewahr, wie die Zeit verging, und er entschuldigte sich. »Ich muss Fidelma suchen. Hast du sie irgendwo gesehen?«
»Jetzt nicht. Dieser Teil der Gebäude ist der Dienerschaft vorbehalten. Ich glaube nicht, dass es sie gerade hierher verschlägt.«
»Ich habe mich gewundert, dass sich keine Menschenseele in den Küchenräumen aufhält, alles war leer und verlassen.«
»Leer und verlassen?«, wiederholte er ungerührt. »Das Haus erwartet keine Gäste, da sieht Lady Trifina keine Notwendigkeit für emsiges Treiben der Küchenkräfte.«
»Ich habe den Eindruck, in der Villa herrscht der römische Lebensstil vor, irre ich mich da?«
»Dazu kann ich nichts sagen. Für meine Begriffe läuft hier alles in üblichen Bahnen.«
Eadulf hätte gern noch mehr Fragen gestellt, spürte aber, dass es dem Griechen langsam zu viel wurde, und ließ es. »Wie auch immer, vielen Dank für deine Hilfe, Heraklius von Konstantinopel. Hilfe ist das falsche Wort, ich verdanke dir mein Leben.«
»Dein Leben hast du den Kriegern zu verdanken, die dich aus dem Meer gefischt haben. Sie haben dich so lange gebeutelt, bis du alles Meerwasser herausgewürgt hast, sonst wärst du jämmerlich ertrunken. Denen gebührt der Dank. Ich habe vergleichsweise wenig getan.«
»Dann danke ich dir eben für das wenige, das du getan hast. Wie hieß der Krieger, der mich aus dem Wasser gezogen hat?«
»Ich weiß es nicht genau. Frage am besten Bleidbara.«
Er drehte sich um und ging, so dass er Eadulfs erstaunten
Weitere Kostenlose Bücher