18 Gänsehaut Stories
sich aufs Unbehaglichste bemerkbar. Innerhalb von sechs bis sieben Meilen gab es ja keine andere Insel, und auch der Umstand, daß mich nur einige wenige Meilen von den Wäldern des Festlandes trennten, hatte nicht viel zu besagen, denn jene Wälder waren über weite Entfernungen hin aller menschlichen Besiedlung bar. Indes, mochte meine Insel auch in vollkommener Verlassenheit und tiefster Stille daliegen – ihre Felsen und Bäume waren immerhin zwei Monate hindurch zu jeder Stunde des Tages dem Gelächter und den Rufen der Menschen ein Echo gewesen, und so mußte wohl noch ein Rest von Erinnern auf diesem einsamen Fleck Erde verblieben sein. Deshalb war ich durchaus nicht verwundert, auf meinen Streifzügen zwischen den Felsen ab und zu ein Auflachen, einen Ausruf zu vernehmen. Ja, zuweilen war’s mir sogar, als riefe jemand lauthals meinen Namen.
In der Blockhütte gab es ein Halbdutzend winziger Schlafräume, die lediglich durch nackte, ungefirnißte Wände aus Kiefernbrettern voneinander geschieden waren. Und in jedem dieser Verschlage gab’s eine holzgezimmerte Pritsche mit Matratze sowie einen Stuhl. Doch fand ich insgesamt nur zwei Spiegel vor, und selbst von diesen zweien war der eine zerbrochen.
Die Dielenbretter, sobald ich darauf umherging, knarrten so laut, und die Anzeichen kürzlicher Bewohntheit sprangen noch so sehr ins Auge, daß es mir schwerfiel, im Ernst an meine Verlassenheit zu glauben. So lebte ich halb und halb dahin in der beständigen Erwartung, plötzlich irgendeinem gleich mir auf der Insel Verbliebenen zu begegnen, ja, so versuchte ich noch immer, mehr von meinen Effekten in einem einzigen Verschlag unterzubringen, als hineingingen. Eine der Türen klemmte übrigens, widerstand für Sekunden dem öffnenden Druck der Hand, und es bedurfte nur geringer Mühe, sich einzubilden, jemand blockiere von innen die Klinke, und man werde, sobald die Tür erst aufgegangen, sich einem menschlichen Augenpaar gegenübersehen.
Nachdem ich das gesamte Obergeschoß eingehend inspiziert hatte, entschied ich mich, zu meinem künftigen Nachtquartier jene kleine Kammer zu wählen, deren winziger Balkon sich überm Dach der Veranda befand. Der Verschlag war wirklich sehr klein, doch sein Bett war bequem und enthielt überdies die beste Matratze von allen vorhandenen. Übrigens lag diese Schlafkammer genau über dem Aufenthaltsraum, den ich für meine täglichen Studien ausersehen hatte, und von ihrem Miniaturfenster aus konnte man die Sonne aufgehen sehen. Mit Ausnahme eines schmalen Fußpfads, der vom vorderen Eingang und von der Veranda aus zwischen den Bäumen zum Bootsanlegeplatz hinunterführte, war ja die gesamte Insel von einem dichten Waldbestand aus Ahornbäumen, Schierlingstannen und Zedern bedeckt. Die Bäume umstanden das Blockhaus so nahe, daß ihre Äste und Zweige schon mit dem leisesten Lufthauch an Dach und Wänden zu scharren begannen. So herrschte denn auch wenige Augenblicke nach Sonnenuntergang schon die undurchdringlichste Finsternis, und keine zehn Schritt außerhalb des Lichtscheins, der von den Lampen des Aufenthaltsraumes durch die Fenster drang – es waren ihrer vier –, konnte man die Hand nicht mehr vor Augen sehen, geschweige denn einen Schritt tun, ohne sich am nächstbesten Baumstamm eine Beule zu stoßen.
Den verbleibenden Rest jenes Tages brachte ich damit zu, meine Habseligkeiten vom Zelt zum Aufenthaltsraum zu schleppen, die Vorräte in der Speisekammer zu taxieren und einen ausreichenden Wochenvorrat an Brennholz zu hacken. Dies getan – es war kurz vor Sonnenuntergang –, umrundete ich um meiner
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