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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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leb­haf­tes­te und schob sich be­stän­dig zwi­schen mei­nen Blick und die Sei­ten mei­ner Lek­tü­re. Und je mehr ich den Vor­fall be­dach­te, de­sto stär­ker ward mei­ne Ver­wun­de­rung. Das Ka­nu war ja von grö­ße­rer Bau­art ge­we­sen denn ir­gend­ei­nes, das ich den Som­mer über zu Ge­sicht be­kom­men, und hat­te mit sei­nem hoch auf­ge­bo­ge­nen Bug und Heck viel eher den al­ten, in­dia­ni­schen Kriegs­ka­nus ge­gli­chen. Auch war es eben­so breit ge­we­sen wie sie. – Gleich­viel, je mehr ich ver­such­te, mich auf mei­ne Bü­cher zu kon­zen­trie­ren, de­sto we­ni­ger Er­folg war mir be­schie­den. Schließ­lich klapp­te ich sie end­gül­tig zu und trat auf die Ve­ran­da hin­aus, um mir dort ein we­nig Be­we­gung zu ma­chen und das Käl­te­ge­fühl aus mei­nen Kno­chen zu schüt­teln.
    Die Nacht war voll­kom­men still und so dun­kel, wie man sich’s nur vor­stel­len moch­te. Ich stol­per­te den Fuß­pfad zu dem klei­nen An­le­ge­platz hin­un­ter, wo das Was­ser mit fast un­hör­ba­rem Gluck­sen von un­ten ge­gen die Boh­len der Lan­de­platt­form schlug. Weit drü­ben, schon jen­seits des Sees in den Wäl­dern des Fest­lands, brach kra­chend ein al­ter Baum­rie­se nie­der, und sein fer­ner Fall weck­te das Echo in der reg­lo­sen Nacht­luft, und der Nach­hall pflanz­te sich wei­ter und fort – und war wie das ers­te Ge­plän­kel ei­ner fer­ne an­he­ben­den, nächt­li­chen At­ta­cke. Sonst war da nichts, die all­ge­wal­ti­ge Stil­le zu stö­ren.
    Wäh­rend ich noch auf der Platt­form des An­le­ge­plat­zes stand, in­mit­ten der brei­ten Hel­le, die hin­ter mir aus den Fens­tern des Ta­grau­mes brach, sah ich ein zwei­tes Ka­nu den überm Was­ser sich ver­lie­ren­den Licht­streif durch­que­ren und so­fort wie­der in der un­durch­dring­li­chen Fins­ter­nis der an­de­ren Sei­te ver­schwin­den. Dies­mal hat­te ich es deut­li­cher ge­se­hen: Es war von der näm­li­chen Bau­art wie das ers­te ge­we­sen, ein ge­räu­mi­ges Fahr­zeug aus Bir­ken­rin­de mit stark über­höh­tem Vor­der- und Ach­ter­teil und mit brei­tem Kiel. Ge­ru­dert hat­ten zwei In­dia­ner, von de­nen der hin­te­re – der Steue­rer – von un­ge­wöhn­li­cher Kör­per­grö­ße zu sein schi­en. Ich hat­te das sehr klar un­ter­schei­den kön­nen. Ob­schon aber das zwei­te Ka­nu so viel nä­her an der In­sel vor­bei­ge­stri­chen war als das ers­te, hielt ich doch da­für, daß bei­de sich auf dem Rück­weg zu der In­dia­ner-Re­ser­va­ti­on be­fan­den, wel­che sich in ei­ner Ent­fer­nung von et­wa fünf­zehn Mei­len auf dem Fest­land er­streck­te.
    Ich stell­te noch im­mer Ver­mu­tun­gen dar­über an, was denn einen In­dia­ner be­wo­gen ha­ben moch­te, die­sen Teil des Sees zu so spä­ter Stun­de auf­zu­su­chen, als ein drit­tes Ka­nu von ge­nau der­sel­ben Bau­art, und wie die an­dern von zwei In­dia­nern ge­ru­dert, laut­los am An­le­ge­platz vor­über­strich. Dies­mal aber war das Fahr­zeug viel nä­her ge­we­sen, und so schoß mir plötz­lich der Ge­dan­ke durch den Sinn, daß die ver­meint­li­chen drei ja in Wahr­heit ein und das­sel­be wa­ren – ein ein­zi­ges Ka­nu, das die In­sel um­kreis­te!
    Die­se Schluß­fol­ge­rung war kei­nes­wegs an­ge­nehm: Er­wies sie sich wirk­lich als die zu­tref­fen­de Er­klä­rung für das un­ge­wöhn­li­che Er­schei­nen drei­er Ka­nus zu so spä­ter Stun­de auf die­sem ab­ge­le­ge­nen Teil des Sees, so konn­ten die Ab­sich­ten der bei­den Ru­de­rer ver­nünf­ti­ger­wei­se nur mit mei­ner Per­son zu­sam­men­hän­gen. Zwar hat­te ich noch nie ge­hört, daß die In­dia­ner ge­gen Sied­ler, wel­che mit ih­nen die wei­te, un­wirt­li­che Ein­sam­keit die­ser Land­stri­che teil­ten, ge­walt­sam vor­ge­gan­gen wä­ren, an­der­seits konn­te man aber ei­ne sol­che Mög­lich­keit nicht völ­lig aus­schlie­ßen …
    In­des, gleich da­nach schlug ich mir der­lei un­an­ge­neh­me Er­wä­gun­gen aus dem Kopf und such­te in mei­ner Ein­bil­dung nach al­ler­hand an­de­ren Lö­sun­gen des Pro­blems, die mir denn auch nur zu eil­fer­tig in den Sinn ka­men, je­doch mei­ner un­vor­ein­ge­nom­me­nen Be­trach­tung

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