18 Gänsehaut Stories
Sicherheit willen zu mehreren Malen im Kanu die Insel. Nicht im Traum hätte ich mir früher dergleichen einfallen lassen, indes, das Alleinsein bringt einen Menschen dazu, Dinge zu tun, die ihm in turbulenter Gesellschaft wohl zu allerletzt in den Sinn gekommen wären.
Wie verlassen die Insel doch wirkte, jetzt, da ich sie zum andernmal betrat! Die Sonne war schon unterm Horizont verschwunden, das Zwielicht der Dämmerung aber ist in jenen nördlichen Breiten so gut wie unbekannt. Der Tag weicht ohne Übergang der aufkommenden Nacht. So tastete ich mich, sobald ich das Kanu weit genug an Land gezogen und kieloben gedreht hatte, den schmalen Fußpfad zur Veranda hinauf. Bald erstrahlten die sechs Lampen des Tagesraumes im freundlichsten Licht, allein, in der Küche, wo ich zu Abend »speiste«, waren die Schatten so düster, war das Lampenlicht so ungenügend, daß man die Sterne zwischen den Dachsparren hindurchlugen sah.
Ich ging in jener ersten Nacht früh zu Bett. Doch obwohl das Wetter abgekühlt hatte und kein Lufthauch sich regte, waren das Knarren meiner Schlafstelle und das melodische Schwappen des Wassers gegen die Uferfelsen nicht die einzigen Geräusche, welche mir ans Ohr drangen. So wuchs, während ich noch schlaflos lag, die entsetzliche Einsamkeit des Hauses immer größer um mich her. All die Gänge und leeren Zimmer rundum schienen belebt von unzähligen Schritten, von schlurfendem Schleichen, vom Rascheln der Röcke und von einem unablässigen, raunenden Geflüster. Und als der Schlaf mich doch noch überkam, gesellten all die Atem- und Flüsterlaute sich noch den Stimmen meiner Träume.
So ging eine Woche dahin, und meine »Studien« gediehen aufs beste. Indes, am zehnten Tag meiner Einsamkeit widerfuhr mir etwas recht Sonderbares. Nach einer traumlos durchschlafenen Nacht erwachte ich mit einem deutlich ausgeprägten Widerwillen gegen das Zimmer. Mir schien, als wär’ noch die Luft in seinem Innern nicht atembar und brächte mich zum Ersticken. Aber je mehr ich solchem Ekelgefühl auf den Grund zu kommen trachtete, desto unvernünftiger erschien es mir. Dennoch, mit diesem Zimmer hatte es etwas auf sich, das mir Angst machte. So absurd es klingen mag, dieses Gefühl hing sich, während ich mich ankleidete, mit solcher Hartnäckigkeit an mich, daß ich mich mehr als einmal über einem innerlichen Schauder ertappte, ja des öftern versucht war, diese vier Wände Hals über Kopf zu verlassen. Doch je mehr ich das alles vor mir selbst ins Lächerliche zog, desto manifester wurde dies Angstgefühl. Und als ich schließlich angekleidet war und auf den Gang hinaustrat, um mich hinunter in die Küche zu begeben, geschah dies mit so großer Erleichterung, wie sie, so bildete ich mir ein, wohl nur ein Mensch empfinden mochte, welcher soeben dem Gefahrenbereich einer tödlichen Seuche entkommen war.
Während ich mir mein Frühstück bereitete, rief ich mir aufs genaueste eine jede der Nächte ins Gedächtnis, die ich in dem Zimmer verbracht hatte, und tat dies in der Hoffnung, dadurch auf irgendeine dort erlebte, unliebsame Begebenheit zu stoßen, welche ich mit meinem gegenwärtigen Ekelgefühl in Zusammenhang bringen konnte. Aber ich entsann mich lediglich einer stürmischen Nacht, darin ich plötzlich erwacht war, weil die Dielenbretter im Korridor so vernehmlich geknarrt hatten, daß ich die felsenhafte Überzeugung gehegt, ein Fremder bewege sich durchs Haus. Und so gewiß war ich damals meiner Sache gewesen, daß ich mich erhoben hatte und mit schußbereitem Gewehr die Treppe hinuntergegangen war, um Nachschau zu halten – und dann doch nur Türen und Fenster gesichert und verschlossen, ja einzig die Mäuse und
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