18 Gänsehaut Stories
zu lassen.«
Wenn sich dies Erschrecken in Form der vielberufenen Gänsehaut an der Oberfläche Ihrer Physis kristallisiert, dann haben die Geschichten gehalten, was der Titel verspricht: Gänsehautgeschichten.
Manfred Kluge
Die Spuk-Insel
von
Algernon Blackwood
Algernon Blackwood (1869-1951) begann mit 36 Jahren zu schreiben. Sein erstes Buch, »The Empty House and Other Ghost Stories« (1906), war eine Sammlung von Geister- und Gruselgeschichten, in der – wie in allen späteren Sammlungen – das Phantastische, Unheimliche und Mystisch-Okkulte vorherrschte. Sein Lebenswerk umfaßt mehr als 20 Bände. H. P. Lovecraft, ein anderer Meister des Unheimlichen, nannte ihn einen der bedeutendsten Schriftsteller dieses Genres. Als Algernon Blackwoods erster Erzählband in deutscher Sprache erschien, schrieb die Schweizer Bücherzeitung »Domino« :
»Langsam, kaum merklich wächst bei Blackwoods Erzählungen ein fremdes, andersartiges, ein bohrendes, unbestimmtes, quälendes Gefühl in die heitere Handlung hinein, ein Gefühl, das wächst, sich ausbreitet wie ein böses Geschwür, das den Verstand zernagt und das Hirn martert.«
Die im folgenden berichteten Begebnisse haben sich auf einer kleinen, abgelegenen Insel zugetragen. Sie befindet sich in einem großen, kanadischen See, an dessen kühlen Wassern die Bewohner von Montreal und Toronto Zuflucht und Erholung vor der Hitze des Sommers suchen. Was aber die Vorfälle selbst betrifft, so muß man es zutiefst bedauern, daß Begebenheiten, die für jeden Adepten des Übersinnlichen von so einschneidendem Interesse sind, auf keine Weise erhärtet werden können. Allein, so unglückselig stellt sich der Sachverhalt nun einmal dar.
Von unserer Gesellschaft – es waren an die zwanzig Personen gewesen, welche an eben dem Tage, da mein Bericht einsetzt, ihre Zelte abgebrochen hatten, um nach Montreal zurückzukehren –, von unserer Gesellschaft war als einziges Mitglied ich auf der Insel zurückgeblieben, mutterseelenallein, und das für ein bis zwei weitere Wochen. Ich tat dies in der Absicht, einiges Unerläßliche für mein Studium der Rechte nachzuholen, das ich törichterweise den Sommer über vernachlässigt hatte.
Es war spät im September, und die riesigen Forellen und Maskinongen {1} waren schon unruhig geworden und hatten begonnen, in dem Maße an die Oberfläche zu kommen, als Nordwind und Frost der Frühe die vom Sommer durchwärmten Wasserschichten abkühlten. Schon loderte das Laub des Ahorns in herbstlich roten und goldenen Farben, und die geschützten Buchten waren nach all dem Frieden der Sommertage aufs neue erfüllt von dem wilden Gelächter der Tauchvögel.
Mit einer Insel, die ganz allein mir zur Verfügung stand; mit einem einstöckigen Blockhaus darauf; ausgerüstet mit einem Kanu; zur lärmenden Gesellschaft einzig die keckernden Eichhörnchen und, einmal die Woche, den Farmer mit seinem Nachschub an Eiern und Brot: Günstiger, so sollte man meinen, hätten die Voraussetzungen für mein beabsichtigtes Einbringen des Versäumten gar nicht sein können. Doch es kommt, wie immer, auf die Umstände an!
Die anderen, vor ihrem endgültigen Aufbruch von der Insel, hatten mich noch mit vielen, gutgemeinten Warnungen bedacht, des Inhalts, ich solle vor den Indianern auf der Hut sein und mich im übrigen ja nicht zu lange hier verweilen, damit ich nicht einem der unbarmherzigen Fröste zum Opfer fiele, bei denen vierzig Grad unter Null so gut wie nichts bedeuten. Sobald mir aber all die Heimkehrenden in Wahrheit aus den Augen waren, machte die Weltabgeschiedenheit meiner neuen Lage
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