18 - Geheimagent Lennet und die Doppelgängerin
sie auf einen tristen Hinterhof sehen; an der gegenüberliegenden Wand standen drei hohe Schränke.
Ansonsten gab es außer einem kleinen Schreibtisch und drei Schemeln keine weiteren Möbel. Es war ganz still und schon fast ganz dunkel. Einen Lichtschalter konnte das Mädchen nicht finden.
Langsam ging sie auf und ab. Sie hatte Angst. Da hatte sie sich ja eine feine Geschichte eingebrockt! Vom französischen Geheimdienst entführt! Wenn sie da nur noch mal mit einigermaßen heiler Haut rauskäme! Und selbst wenn die Franzosen Mitleid mit ihr haben würden, dann bliebe immer noch ihr Chef, und der war knallhart. Auf den konnte sie nicht rechnen, der ginge nötigenfalls auch über Leichen! Was Georgette nicht wußte, war, daß sie sich ganz einfach in der Wäscherei des Hotels Valdombreuse befand. In den Wandschränken, die Lennet sorgfältig abgeschlossen hatte, waren keineswegs die Geheimakten, die das Mädchen dort vermutete, sondern große Packen schmutziger Wäsche. Den Schreibtisch und die Hocker hatte Sosthene zuvor eilig in das Zimmer gestellt. Georgette konnte auch nicht hören, daß sich Lennet und Graziella hinter der Tür leise stritten.
»Zwanzig Minuten ist sie jetzt schon drin", sagte Graziella.
»Wollen wir nicht mal allmählich anfangen?«
»Lassen Sie sie doch noch ein bißchen schmoren", beschwichtigte Lennet sie, »das macht die Sache für uns viel einfacher! Und außerdem haben wir jede Menge Zeit! Ihr Vater weiß Bescheid, und der FND kann auch noch eine Stunde länger warten.«
»Wissen Sie eigentlich, was Sie da erzählen? Denken Sie denn gar nicht mehr an den Empfang im Elysee-Palast?«
»Den können Sie sich aus dem Kopf schlagen! Wenn alles so klappt, wie ich mir das überlegt habe, dann brauchen wir noch mindestens vierundzwanzig Stunden.«
»Lennet! Das darf doch nicht wahr sein! Und was ist mit meinem weißen Kleid?«
»Das ziehen Sie eben ein andermal an!«
»Dann ist es aus der Mode.«
»Jetzt hören Sie mir mal genau zu: Sie schlagen sich die Sache endgültig aus dem Kopf! Sie werden doch nicht wegen eines Kleides unsere mühselig ausgetüftelte Aktion zum Scheitern bringen!«
»Aber warum vertrödeln wir denn so entsetzlich viel Zeit?«
»Wir trödeln kein bißchen! Wir brauchen die Zeit, wir müssen nach Plan vorgehen, sonst hat es keinen Sinn!« Georgette hatte sich mittlerweile in ihrem Gefängnis wohl zwanzigmal hingesetzt, war wieder aufgestanden, hin und her gelaufen wie ein gefangenes Tier, hatte ihr Taschentuch in der schweißnassen Hand zerknüllt, hineingebissen, es zerrissen, als sich plötzlich die Tür leise öffnete und der junge Mann, der sie in der Sorbonne angesprochen hatte, hereinkam.
»Gra-Gra?« flüsterte er. »Gra-Gra, bist du hier?«
»Ja", flüsterte sie zurück. Ihr Flüstern schien Lennet ein gutes Zeichen zu sein.
Der Geheimagent knipste das Licht an. Sofort sah der Raum wesentlich freundlicher aus.
»Paß mal auf", flüsterte Lennet nun wieder, »bis der Alte kommt, dauert es noch einen Moment. Wenn du dir eine ziemlich unangenehme Viertelstunde, na ja, was man so Viertelstunde nennt! - also, wenn du dir die ersparen willst, könnte ich dir dabei helfen!« Georgette sah Lennet mit angstvoll geweiteten Augen an.
»Helfen? Wie meinst du das? Ich kann dir kein Geld geben, wenn du an so was denkst!«
»Wer redet denn von Geld? Nein, ich meine, daß der Alte viel besser gelaunt ist, wenn wir ihm schon mal sagen können, daß du bereit bist, auf alle Fragen zu antworten. Das macht 'ne Menge aus!«
»Ist der Alte denn wirklich so schlimm?«
»Er ist widerlich!« Lennet setzte sich auf die Tischkante. Dabei paßte er genau auf, daß er weder das Papier noch die Bleistifte berührte, die für das Verhör bereitlagen.
»Und Sie? Sind Sie nicht böse?« fragte Georgette. Lennet verbiß sich ein Lächeln. Das Mädchen war aber auch zu naiv! »Also, erstens finde ich, daß du mich ruhig weiter duzen solltest. Und zweitens bemühe ich mich, nicht böse zu sein, wenn es sich irgendwie vermeiden läßt. Weißt du, ich tue auch nur meine Pflicht. Aber wenn ich dir dabei auch noch helfen kann, ohne jemanden zu schaden, dann freue ich mich natürlich.
Also wie ist es? Soll ich dir nun aus deiner Zwickmühle helfen oder nicht?«
»Ja, bitte.«
»Ich heiße Lennet. Sag einfach: Ja, Lennet, ich möchte, daß du mir hilfst.'" Lennet faßte Georgette an beiden Händen und sah ihr gerade ins Gesicht.
Langsam sagte sie: »Ja, Lennet, ich
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