18 Geisterstories
willen, wer ist denn jener Entsetzliche, der Sie so peinigt«, fragte ich. »Lebt er in Ihrer Umgebung?«
»Das kann ich Ihnen nicht beantworten, – er ist – tot, lange tot.«
»Tot?« fragte ich. »Aber beim Teufel – –«
»Ja, tot!« unterbrach mich Rosen. »Das weiß ich gewiß. Ein buckliger, kleiner, elender Schuft war’s. Ich lebte damals in Genf. Ich verkehrte in einem spiritistischen Klub, da war er dabei, und er lief mir nach, er drängte sich an mich, verfolgte mich förmlich, zwang mich zu allem, was er wollte, wenn er mir mit der langen, weißen Hand über den Arm strich. Sie, wissen Sie, er hat mich zum Dieb gemacht! – Sagte er mir: ›Sie werden morgen das und das tun, das und das für mich stehlen‹, dann tat ich’s, dann stahl ich, ohne zu überlegen, machtlos. Umsonst versuchte ich gegen ihn anzukämpfen. Da floh ich eines Tages fort. Ich versteckte mich vor Bekannten, Freunden, vor aller Welt, um ihm und seinem Einfluß zu entgehen. Ich nahm sogar einen andern Namen an, kaufte dies einsame Gut mitten im Wald und verließ es nicht mehr, aus Angst, ich könnte ihm draußen irgendwo begegnen.
Und – ich bin ihm doch noch einmal begegnet.«
Er brach ab, sprang auf, blickte sich um, durchmaß das Zimmer, die Waffe in der Rechten, blieb plötzlich horchend stehen, legte das Ohr an die Tür, suchte mit funkelnden Augen unter jedem Möbel umher und flüchtete dann endlich wieder an meine Seite, indem er sich mit der Hand über die Stirn wischte.
Nun wurde mir noch unheimlicher in der Nähe des Mannes, der in seinen Wahngebilden die Rückkehr eines längst Verstorbenen fürchtete. Sagte ich mir auch, daß ich es mit einem Irrsinnigen zu tun hätte, so teilte ich doch merkwürdigerweise die Angst jenes Unglücklichen. Trotzdem zwang ich mich in gleichgültigstem Ton zu bemerken:
»Ich werde Ihnen helfen. Erklären Sie mir nur, ob Sie sich wirklich vor dem Toten fürchten. Wollen Sie etwa an Spuk glauben?«
»Nicht ihn selbst fürchte ich, den Toten, nur seine Hand, seine fürchterliche Hand! Den Buckligen, den schwachen Zwerg brauche ich nicht mehr zu fürchten. Aber diese Hand! Schwören Sie mir zu schweigen?«
Ich nickte.
»So hören Sie. Ich bin der Welt gegenüber verloren, wenn Sie etwas sagen, die Leute würden mich dann für einen Verrückten oder einen Verbrecher halten. – Aber – es ist vielleicht alles gleich. – Horchen Sie! Dort ist es schon wieder, das weiße Tier! Jetzt ist’s im Kamin, ganz bestimmt im Kamin!«
Bei diesen Worten stürzte sich Rosen an den Holzkorb und warf mit fieberhafter Hast ein Kiefernscheit nach dem andern in die von neuem auflodernde Glut. Ich hörte nichts anderes als das Knacken und Prasseln des frischen Holzes und das Zischen der Flammen. Die unheimliche Geschäftigkeit des Unglücklichen steckte an. Ich half ihm, und wir warfen den ganzen Inhalt des Korbes ins Feuer, so daß die Flammen hoch aufsprühten.
Jetzt hatte Rosen zum erstenmal selbst das weiße Tier erwähnt, von dem schon seine Diener gesprochen. Was mochte das sein? Wie kam es in den Vorstellungskreis seines kranken Hirnes, dies gespenstische Tier, dessen Name ihn erzittern machte, das sogar durch die Flammen zu ihm dringen wollte, und das er nun in einem Anfall von Wut zu verbrennen bemüht war.
Wieder horchten wir zusammen nach irgendwelchen Lauten, gespannt wie eine Schildwache, die in der Nacht das Heranschleichen eines Feindes erwartet. Bei Gott, hätten aus dem Kamin Schreie geklungen, Heulen, Winseln eines verbrennenden Tiers, ich hätte mich nicht gewundert.
»Wie das lodert! Wie das brennt!« frohlockte Rosen grimmig. »Ob es dem widerstehn kann?«
Er hatte vor dem Kamin gekniet, nun stand er auf. Mit hastig hervorgestoßenen Worten, immer wieder sich unterbrechend und um sich spähend, berichtete er
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