18 Geisterstories
Benehmens. Nun aber machte ich Miene, mich zurückzuziehen, denn ich war rechtschaffen müde geworden und hatte nicht Lust, mit diesem Manne die ganze Nacht zuzubringen, um alle Augenblicke Zeuge der Angewohnheiten eines Sonderlings zu sein und irgendein Ereignis abzuwarten, das ich nicht einmal ahnte, und das jener mir trotz meiner Andeutungen augenscheinlich auch nicht mitteilen wollte. Kaum aber hatte ich mich erhoben, als mich Rosen am Arm erfaßte und mit einer Kraft in den Stuhl zurückdrückte, die mich in Erstaunen setzte.
»Bleiben Sie, ich beschwöre Sie! Ich habe nur darum heute das Haus nicht verlassen, das mich in dieser Nacht sonst nie in seinen Mauern sieht, um einen Versuch zu machen. Ich bin nicht krank. Was ich Ihnen schrieb, ist nicht wahr. Ich wollte nur Ihres Kommens sicher sein. Sie erweisen mir damit einen Dienst, dessen Größe Sie jetzt nicht im entferntesten schätzen können. Mein Benehmen muß Ihnen sonderbar erscheinen. Ich sehe es Ihnen an, daß Sie an meinem ruhigen Verstand zweifeln. Aber ich bin mir leider nur zu klar über alles, ich bin nicht überspannt, nicht im geringsten. Ich will nur versuchen, ob Ihre Nähe, die Anwesenheit eines ganz nüchternen, unbeeinflußten Mannes jenes Entsetzliche vertreiben kann, vor dem ich mich fürchte, und das –«
Rosen schnellte vom Stuhl empor und griff nach einem jener haarscharfen, türkischen Säbel, Jatagan genannt, die eine gefährliche Waffe in der Faust eines Mannes bilden. Er hielt die Hand ans Ohr und lauschte. Ein Zittern ging durch seinen Körper. Auch ich stand unwillkürlich auf und horch te.
Ein unbestimmtes Geräusch, etwa wie das regellose Hin- und Herhuschen einer Ratte über Holzdielen ließ sich vernehmen. Die Augen Rosens irrten suchend im Zimmer umher und blieben auf der Tür nach dem Flur haften, von dem die Laute zu kommen schienen.
»Hören Sie nichts?« flüsterte er und umklammerte mein Handgelenk.
Aber die leichten Schritte waren schon wieder verklungen.
Ich mußte den Erregten beruhigen.
»Ich höre nichts, absolut nichts«, log ich. »Ich glaube, Sie sind nur einem Irrtum unterworfen gewesen. Erklären Sie mir nur endlich, was Sie fürchten.«
Rosen setzte sich wieder und legte den Säbel dicht neben sich auf einen Tisch, auf dem allerlei Rauchgerätschaften standen. Er bot mir eine Zigarre an, und auch ich nahm von neuem Platz.
»Wie sonderbar«, sagte er. »Ich hätte darauf geschworen, daß ich es gehen hörte – Aber freilich, wenn Sie meinen. Und Sie haben nichts gehört? Sind Sie dessen sicher?«
»Gewiß«, erwiderte ich, »vollkommen. Sie können ruhig sein, es war nichts.«
Mein Wirt prüfte mit den Fingerspitzen die Schärfe des Stahles.
»Glauben Sie«, rief er plötzlich ganz unvermittelt und ließ die Klinge pfeifend durch die Luft schwirren, »glauben Sie, daß man damit einem Menschen die Hand abhauen kann?«
»Gewiß, mit Leichtigkeit.«
Rosen sah mit einem sonderbaren harten Blick auf die blitzende Waffe und wog sie in der Hand.
»Ja, ja, mit einem Schlage, mit einem einzigen Schlage bringt man das fertig! Und ein kurzer Stoß ins Herz genügt auch, einen Menschen aus der Welt zu schaffen. Aber, ich glaube, es gibt Wesen, die sind auch damit nicht zu töten. Glauben Sie nicht?«
Rosens Augen ruhten gespannt auf meinen Lippen.
Ich hätte die Waffe lieber in der Hand eines andern gesehen als in der dieses aufgeregten Kranken.
»Ich? Ja, mein Gott, das kommt ganz drauf an, was Sie töten wollen. Aber ich sollte meinen –«
Ich wurde jäh unterbrochen.
»Still! Hören Sie das Tasten dort, dort am Fenster? Um Gottes willen, hören Sie das nicht, wie es ans Fenster greift?«
Mein Gegenüber war wieder von seinem Sitz emporgefahren. Sein Antlitz war blaß geworden, seine Augen
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