18 Geisterstories
hatten sich unnatürlich erweitert und starrten nach den dunklen Scheiben. Wirklich vernahm auch ich von Zeit zu Zeit einen leisen Ton, als klopfe jemand von außen an das Glas der Fenster, als taste etwas suchend an ihm herum.
»Ich meine, es muß wohl der Wind sein, der welke Blätter aus Ihrem Garten an die Scheiben wirbelt«, bemerkte ich endlich. »Oder es sind die äußersten Ästchen der Linde, die vor dem Hause steht, und die gegen das Glas reiben. Wer sollte sich auch sonst an Ihren Fenstern zu schaffen machen?«
In diesem Augenblick schlug die Uhr. Rosen zählte, ohne den Blick vom Fenster abzulenken. Es waren zehn Schläge. Da setzte er sich in seinen Stuhl zurück.
»Meinen Sie wirklich, die Äste der Linde? Nun, Sie mögen recht haben. Es war nur der Wind. Es ist ja auch erst zehn Uhr. Es kommt noch nicht. Aber man kann ja nicht wissen.«
Wir schwiegen lange Zeit. Mich beschlich in der Nähe des Kranken allmählich ein unbestimmtes Gefühl von dumpfer Furcht, das ich nicht mehr loswerden konnte, so sehr ich mir auch Mühe gab, dagegen anzukämpfen. Eine schwüle, fast unnatürliche Ruhe lag über dem Räume, die vielen Lampen und Kerzen erhitzten die Luft. Wohl erhellten sie jeden Winkel, es war nichts Ungewöhnliches zu sehn, und trotzdem fühlten wir beide, daß sich etwas in unserer Nähe vorbereitete. Wenn ich nur gewußt hätte, was ich erwartete, welches das Wesen sei, das seit einer Stunde von uns gefürchtet, lauernd um unser Zimmer schlich, das uns drinnen gefangen hielt. Keiner von uns hätte jetzt mehr gewagt, die Türen oder eines der Fenster zu öffnen. Wir wußten, dann sprang es herein.
Was hätte ich darum gegeben, wenn ich das Haus erst wieder verlassen gehabt hätte. Mehr und mehr fühlte ich mich selbst in Rosens merkwürdige Wahnideen verstrickt, von der Aufregung meines Patienten angesteckt, und doch war es nur eine Ratte, waren es nur trockene Blätter, Ästchen, ein verirrter Nachtvogel vielleicht, die jene sonderbaren Geräusche hervorgebracht hatten. Ich wollte mich zwingen, an eine natürliche Erklärung zu glauben. Aber was ich mir auch einreden mochte, ich hielt jetzt diese Ruhe, dieses unverständliche Warten nicht mehr länger aus. Mein Gegenüber blickte sich fortwährend um, immer die Hand am Säbel, bald nach der Tür, bald nach dem Fenster horchend.
Es war draußen totenstill geworden, der Wind hatte sich gelegt. Lautlos zuckten blaue und gelbe Flämmchen vom erlöschenden Feuer des Kamins. Sobald das glühende Holz einmal knackte, fuhren wir beide zusammen.
»Soll ich nicht nach Ihren Leuten klingeln?« fragte ich. Ich sehnte mich danach, andere Menschen um mich zu sehen.
»Um Gottes willen, nein! Nein! Die dürfen ja nichts wissen, ich kann es doch jenen da nicht erklären, nicht sagen! Bleiben Sie sitzen.«
»Dann sagen Sie mir aber endlich, was Sie eigentlich so fürchten, was Sie mit jedem Glockenschlag erwarten!«
Ich wußte, ich würde aus dem Munde dieses Kranken etwas ganz Unsinniges hören, aber alles, auch das Schrecklichste war mir in diesem Augenblick lieber als diese Unsicherheit.
Da begann er hastig:
»Sie sollen mir helfen. Sie wissen aus okkultistischen Schriften sicher so viel, daß der Einfluß eines willensstarken Menschen, eines Skeptikers die unheilvolle Verbindung zwischen dem Medium und seinem Meister zu zerreißen vermag. Sie sind Arzt, Sie allein können dies tun, können mich von jenem erretten. Heute ist die Nacht wiedergekehrt, in der ich ihn erwarte. Heute will ich ihm mit Ihrer Hilfe entgegentreten, um ihn vollends zu vernichten. Ich wollte Ihnen nichts sagen, um Ihnen Ruhe und Unbefangenheit nicht zu nehmen, doch Sie zwingen mich zu sprechen, und ich sehe ja, auch Sie ahnen seine Nähe.«
»Ja, aber um des Himmels
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