18 Geisterstories
kurz:
»Ich floh aus Genf, reiste hin und her, versteckte mich endlich hier. Mehrere Jahre vergingen, schon glaubte ich mich vom Buckligen befreit zu haben, kannte doch keiner meiner Freunde mein Versteck. Da eines Abends, es sind heute gerade siebzehn Jahre her, packt mich plötzlich eine seltsame Unruhe. Ich höre jemand kommen, die Tür öffnet sich, ich wende mich um, der Bucklige steht hinter mir. Allein, unangemeldet war er ins Zimmer gelangt. Ich ahnte vorher, daß er kommen würde, ich fühlte durch Stunden sein Nahen am magnetischen Einfluß. Seine Augen, sein triumphierendes Lachen verrieten mir, daß er mich abermals zu irgendeinem verbrecherischen Plan benutzen wollte. Darum streckte er auch wieder die Hand nach mir aus, mich von neuem in die Gewalt seines Willens zu bringen.
Da springe ich auf und flüchte hinter den Tisch und stoße diesen gegen den Eindringling. Ich konnte meine Leute nicht zu Hilfe rufen, sie waren alle zufällig an jenem Abend, es war Sonntag, zum Tanz in den Krug gegangen. Der Bucklige hatte es sicher so abgepaßt, um mich mutterseelenallein anzutreffen.
Das Scheusal sprang behend wie eine Katze hinter dem Tisch hervor und faßte mit seinen Affenfingern nach meinem Arm.
›Nehmen Sie sich in acht‹, schrie er, ›Sie sind mein, diesmal lasse ich Sie nicht wieder los!‹
Da reiße ich die Waffe von der Wand und haue mit aller Kraft nach dieser Hand. Der Unhold fuhr mit einem Schrei zurück. Ich hatte, ohne es zu wollen, mit einem Hiebe die Hand vom Arm getrennt. Als ich das Blut sah, die vor Wut und Schmerz verzerrte abscheuliche Fratze, da warf ich mich in jäher Verzweiflung vollends auf ihn und stieß ihm, ehe er ausweichen konnte, den Stahl in den Leib. Dann riß ich den Buckligen empor, packte ihn und warf ihn mitten in die hoch auflodernden Flammen des Kamins. Rasch häufte ich alles Holz auf den Leichnam. Ich kniete vor dem Feuer nieder und ruhte nicht eher, als bis der letzte Rest dieses fürchterlichen Menschen verbrannt war, der mich jahrelang gequält, der mich ruhelos umhergetrieben und nun – zum Mörder gemacht hatte. – Reue empfinde ich nicht über meine Tat. Ihm ist nur recht geschehen, er hatte sein Ende hundertfach verdient.
Als das Feuer niedergebrannt war, sammelte ich sorgfältig alle Knochenreste, um sie in einer Kiste zu bergen und zu vernichten. Ich fand sie alle, alle, es war eine schreckliche Arbeit. Nur die rechte Hand fehlte. Ich wandte mich um, suchte im Zimmer, sie war verschwunden. Ich mußte sie also auch ins Feuer geworfen haben und hatte das vielleicht in der Aufregung dieser Minuten vergessen. Noch einmal durchsuchte ich den ganzen Kamin, jedes Aschenhäufchen, nichts! Immer nichts! Da faßte ich mich an die Stirn und meinte wahnsinnig zu werden.«
Der Kranke beugte sich zu mir und starrte mir ins Auge.
»Sehen Sie, jene Hand, jene furchtbare Hand ist also nicht mit verbrannt. Sie ist heimlich, geräuschlos fortgekrochen, während ich am Kamin beschäftigt war. Sie ist flüchtend in irgendeine Ecke gerannt, vielleicht dort zu jenem Fenster hinausgeklettert, denn das Fenster stand offen. Ich habe alle Möbel von der Wand gerückt, zitternd unter jeden Schrank, jeden Stuhl geleuchtet. Ich bin wie ein Irrer noch einmal auf die schauderhafte Kiste losgestürzt, die die schwarzgebrannten Knochen enthielt. Ich habe sie einzeln herausgenommen, sie alle nebeneinander gelegt, bis das ganze Gerippe vor mir auf der Diele lag. Ich wischte mir hundertmal die Augen, immer fehlte die rechte Hand.
Dann die Asche des Kamins. Ich habe sie trotz der sengenden Hitze in kleinen Teilen durch meine Finger gleiten lassen, umsonst alles, umsonst. Die Hand fehlte.
Wie soll ich Ihnen schildern, was ich damals ausgestanden habe?
Niemand
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