18 Geisterstories
hatte den Buckligen bei mir eintreten sehn. Niemand hat sein Verschwinden bemerkt oder nach ihm geforscht. Dieser Mord blieb unentdeckt und ungesühnt.
Da erfand ich ein Märchen, um es meinen Leuten wahrscheinlich zu machen, daß ich einen Spuk fürchtete und seinetwegen nicht mehr in der Nacht der Tat hier im Hause bleiben wollte. Ein Wegziehn von hier, – ich habe wohl daran gedacht, – aber was hätte es mir geholfen? Ich hätte mich verdächtig gemacht und jene Hand hätte mich doch zu finden gewußt. Meine Leute bangen vor dem weißen Tier, das keiner je gesehn hat. Auch ich, es ist lächerlich, ich habe es nicht gesehn, es ist eine Ausgeburt meiner Einbildungskraft, nicht wahr? Was soll es sonst sein, und doch fürchte ich, weiß ich, daß es einmal kommen wird. Mit Ihrer Hilfe will ich ihm heute entgegentreten, ich muß auch den letzten Rest jenes toten Unholds vernichten, der mir mein Leben zerstört hat.«
»Aber«, fragte ich, »wie können Sie an einer so unmöglichen Einbildung leiden? Nehmen wir an, es hat sich wirklich alles so begeben, wie Sie’s erzählt haben, wie kann eine verschwundene Hand, die Hand eines Toten, Ihnen gefährlich werden?«
Ich gestehe, daß ich mich mit solchen Worten selbst beruhigen wollte. Rosen entgegnete rasch:
»Wie ich daran leiden kann? Haben Sie nicht selbst gefühlt, daß gerade diese Nacht etwas Besonderes hat? Es ist heute ganz anders, als es sonst in der Nacht zu sein pflegt, ganz anders. Oh, es gibt Nächte, in denen es hier draußen wunderbar schön und friedlich ist. Ich liebe diese Einsamkeit, diesen Wald, diese Wiesen. Aber heute, die Totenstille rings um das Haus, selbst den Bach hört man nicht plätschern wie sonst. Dieses Tappen und Tasten außen am Fenster, an den Türen, diese leisen Schrittchen vorhin. Dies Trippeln und Rascheln auf dem Gang. Sie glaubten, es seien Ratten. O nein, das ist das weiße Tier! Ich ahne, ja ich weiß, daß es heute wieder in der Nähe ist, daß es in dieser Nacht auf mich lauert, daß es ums Haus schleicht, daß es von irgendwoher plötzlich auf mich zuspringen wird!«
Der Kranke sank im Stuhl zusammen, wie erdrückt von der Erinnerung an seine grausige Tat. Er sprach nicht mehr, stützte die beiden Hände auf den Säbel, den er vor sich hielt, und seine Augen suchten im Zimmer umher.
In der Stille glaubte ich das Klopfen unsrer Herzen zu hören. Wir horchten und warteten. Ich wagte nicht nach der glühenden Öffnung des Kamins zu blicken, in der Furcht, den toten Buckligen darin zu sehn.
Die Uhr schlug langsam elf Schläge. Rosen zählte sie einzeln nach.
»Elf Uhr. Hören Sie, es ist elf Uhr!« schrie er und sprang empor. »Wie damals elf Uhr! Jetzt muß es kommen!«
Der Unglückliche begann im Zimmer auf und ab zu rennen, den blitzenden Stahl in der geballten Faust schwingend und dabei von neuem angstvoll auf den Boden, unter die Möbel, in alle Ecken spähend.
Plötzlich blieb er mitten im Zimmer stehn, den Oberkörper weit vorgebeugt, wie ein Fechter, alle Muskeln am Körper gestrafft, den Blick fest auf die Tür gerichtet. Schweiß perlte in Tropfen auf seiner Stirn.
Auch ich war aufgesprungen. Der Wahnsinnige mit der geschwungenen Waffe flößte mir aber jetzt weniger Grauen ein als ein Geräusch, das immer deutlicher wurde und sich auf den Holzdielen des Hausflurs hören ließ. Man näherte sich der Tür. Aber das waren weder die ruhigen Schritte eines Menschen noch die eines Tieres, es schien mir das Kratzen von Fingernägeln zu sein.
Ich fühlte, wie es mich vom Kopf bis zu den Füßen kalt überlief. Umsonst sah ich mich nach einer Waffe um, obgleich ich wußte, daß sie mir nichts helfen würde. Im nächsten Augenblick mußte es hereinkommen, sich auf uns stürzen, dies gespenstische, weiße Tier. Ich rief laut, wiederholt schrie ich:
»Es ist nichts! Es ist
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