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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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hat­te den Buck­li­gen bei mir ein­tre­ten sehn. Nie­mand hat sein Ver­schwin­den be­merkt oder nach ihm ge­forscht. Die­ser Mord blieb un­ent­deckt und un­ge­sühnt.
    Da er­fand ich ein Mär­chen, um es mei­nen Leu­ten wahr­schein­lich zu ma­chen, daß ich einen Spuk fürch­te­te und sei­net­we­gen nicht mehr in der Nacht der Tat hier im Hau­se blei­ben woll­te. Ein Weg­ziehn von hier, – ich ha­be wohl dar­an ge­dacht, – aber was hät­te es mir ge­hol­fen? Ich hät­te mich ver­däch­tig ge­macht und je­ne Hand hät­te mich doch zu fin­den ge­wußt. Mei­ne Leu­te ban­gen vor dem wei­ßen Tier, das kei­ner je ge­sehn hat. Auch ich, es ist lä­cher­lich, ich ha­be es nicht ge­sehn, es ist ei­ne Aus­ge­burt mei­ner Ein­bil­dungs­kraft, nicht wahr? Was soll es sonst sein, und doch fürch­te ich, weiß ich, daß es ein­mal kom­men wird. Mit Ih­rer Hil­fe will ich ihm heu­te ent­ge­gen­tre­ten, ich muß auch den letz­ten Rest je­nes to­ten Un­holds ver­nich­ten, der mir mein Le­ben zer­stört hat.«
    »Aber«, frag­te ich, »wie kön­nen Sie an ei­ner so un­mög­li­chen Ein­bil­dung lei­den? Neh­men wir an, es hat sich wirk­lich al­les so be­ge­ben, wie Sie’s er­zählt ha­ben, wie kann ei­ne ver­schwun­de­ne Hand, die Hand ei­nes To­ten, Ih­nen ge­fähr­lich wer­den?«
    Ich ge­ste­he, daß ich mich mit sol­chen Wor­ten selbst be­ru­hi­gen woll­te. Ro­sen ent­geg­ne­te rasch:
    »Wie ich dar­an lei­den kann? Ha­ben Sie nicht selbst ge­fühlt, daß ge­ra­de die­se Nacht et­was Be­son­de­res hat? Es ist heu­te ganz an­ders, als es sonst in der Nacht zu sein pflegt, ganz an­ders. Oh, es gibt Näch­te, in de­nen es hier drau­ßen wun­der­bar schön und fried­lich ist. Ich lie­be die­se Ein­sam­keit, die­sen Wald, die­se Wie­sen. Aber heu­te, die To­ten­stil­le rings um das Haus, selbst den Bach hört man nicht plät­schern wie sonst. Die­ses Tap­pen und Tas­ten au­ßen am Fens­ter, an den Tü­ren, die­se lei­sen Schritt­chen vor­hin. Dies Trip­peln und Ra­scheln auf dem Gang. Sie glaub­ten, es sei­en Rat­ten. O nein, das ist das wei­ße Tier! Ich ah­ne, ja ich weiß, daß es heu­te wie­der in der Nä­he ist, daß es in die­ser Nacht auf mich lau­ert, daß es ums Haus schleicht, daß es von ir­gend­wo­her plötz­lich auf mich zu­sprin­gen wird!«
    Der Kran­ke sank im Stuhl zu­sam­men, wie er­drückt von der Er­in­ne­rung an sei­ne grau­si­ge Tat. Er sprach nicht mehr, stütz­te die bei­den Hän­de auf den Sä­bel, den er vor sich hielt, und sei­ne Au­gen such­ten im Zim­mer um­her.
    In der Stil­le glaub­te ich das Klop­fen uns­rer Her­zen zu hö­ren. Wir horch­ten und war­te­ten. Ich wag­te nicht nach der glü­hen­den Öff­nung des Ka­mins zu bli­cken, in der Furcht, den to­ten Buck­li­gen dar­in zu sehn.
    Die Uhr schlug lang­sam elf Schlä­ge. Ro­sen zähl­te sie ein­zeln nach.
    »Elf Uhr. Hö­ren Sie, es ist elf Uhr!« schrie er und sprang em­por. »Wie da­mals elf Uhr! Jetzt muß es kom­men!«
    Der Un­glück­li­che be­gann im Zim­mer auf und ab zu ren­nen, den blit­zen­den Stahl in der ge­ball­ten Faust schwin­gend und da­bei von neu­em angst­voll auf den Bo­den, un­ter die Mö­bel, in al­le Ecken spä­hend.
    Plötz­lich blieb er mit­ten im Zim­mer stehn, den Ober­kör­per weit vor­ge­beugt, wie ein Fech­ter, al­le Mus­keln am Kör­per ge­strafft, den Blick fest auf die Tür ge­rich­tet. Schweiß perl­te in Trop­fen auf sei­ner Stirn.
    Auch ich war auf­ge­sprun­gen. Der Wahn­sin­ni­ge mit der ge­schwun­ge­nen Waf­fe flö­ßte mir aber jetzt we­ni­ger Grau­en ein als ein Ge­räusch, das im­mer deut­li­cher wur­de und sich auf den Holz­die­len des Haus­flurs hö­ren ließ. Man nä­her­te sich der Tür. Aber das wa­ren we­der die ru­hi­gen Schrit­te ei­nes Men­schen noch die ei­nes Tie­res, es schi­en mir das Krat­zen von Fin­ger­nä­geln zu sein.
    Ich fühl­te, wie es mich vom Kopf bis zu den Fü­ßen kalt über­lief. Um­sonst sah ich mich nach ei­ner Waf­fe um, ob­gleich ich wuß­te, daß sie mir nichts hel­fen wür­de. Im nächs­ten Au­gen­blick muß­te es her­ein­kom­men, sich auf uns stür­zen, dies ge­spens­ti­sche, wei­ße Tier. Ich rief laut, wie­der­holt schrie ich:
    »Es ist nichts! Es ist

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