18 Geisterstories
bestimmt nichts, bleiben Sie um Gottes willen ruhig!«
Aber so sehr ich mir auch selbst immer wieder einreden wollte, daß es nichts anderes sei als der nächtliche Traum eines Fieberkranken. Es wollte mir nicht gelingen.
»Es kommt!« keuchte Rosen.
Seine in sinnloser Furcht erweiterten Augen folgten einem unsichtbaren Wesen, das sich ihm auf der Diele kriechend nähern mußte, denn sie waren mit schauerlichem Entsetzen nach dem Boden gerichtet. Langsam hob er die bewaffnete Hand, hoch über seinem Haupt zum Hieb ausholend, seine Brust atmete schwer, seine grauen Haare sträubten sich.
Ich wußte, da war etwas. Hörte ich’s doch über den Boden näherkommen, scharrende Fingernägel. Doch ich sah nichts, so sehr ich meine Blicke anstrengte. Aber ich fühlte, oh, ich fühlte es deutlich, daß wir beide nicht mehr allein im Zimmer waren. Diese Augenblicke vergesse ich nie mehr in meinem Leben. Das Grausen schüttelte mich. Ich mußte mich am Tisch festhalten, mir versagte der Atem. Ich war nahe daran, umzusinken, meine Sinne waren angespannt, gleich einer Bogensehne, die zu reißen droht.
Plötzlich fuhr die Waffe Rosens wie ein Blitz herab, aber schon im nächsten Augenblick stieß er einen gellenden, gräßlichen Schrei aus, taumelte rückwärts, als sei ihm etwas gegen die Brust gesprungen, und stürzte zu Boden. Seine Finger ließen den Säbel los, mit beiden Händen faßte er in die Luft nach irgend etwas, das auf seiner Brust zu hocken schien. Er zerrte und riß an einem unsichtbaren Gegner, sein Schreien ging rasch in Röcheln über.
Ich war nicht imstande, mich zu bewegen, meine Glieder waren wie mit Blei ausgegossen. Ich sah diesen fürchterlichen Kampf an, ohne retten oder auch nur helfen zu können.
Nach einigen Sekunden fielen Rosens Arme schlaff längs dem Körper herab. Bald war alles ruhig. Er bewegte sich nicht mehr. Da beugte ich mich über ihn. Seine Augen waren weit aus ihren Höhlen getreten und verglast, der Mund war geöffnet, wie bei einem Erstickten.
Nun ermannte ich mich, mehr und mehr schwand das bedrückende Gefühl der Abhängigkeit von einer außer mir liegenden, stärkeren Kraft.
Ich rannte an die Klingel und stemmte mich mit aller Gewalt gegen die verschlossene Tür. Auch von außen half jemand. Sie sprang auf, der alte Diener stürzte herbei. Er half mir den Regungslosen aufheben und nach dem Bett tragen, auf das wir ihn niederlegten. Rosen war tot. Der untröstliche Diener versicherte immer wieder, daß sein Herr niemals krank gewesen sei, niemals über irgendwelche Schmerzen geklagt hätte.
Auch die anderen Dienstboten liefen zusammen. Ich erzählte ihnen, was sich zugetragen, sie standen gleich mir vor einem Rätsel. Wir öffneten alle Fenster, die dumpfe und heiße Luft des Zimmers weichen zu lassen. Die Leute sahen auf mich mit entsetzten Mienen. Sie behaupteten später, ich hätte im Gesicht schlohweiß ausgesehen wie eine Kalkwand.
Ich zog mich in ein Nebenzimmer zurück und verließ die jammernde und schwatzende Dienerschaft, mir noch einmal das Erlebnis in allen seinen Einzelheiten zu vergegenwärtigen und eine Erklärung zu finden. Noch niemals hatte ich einen ganz gesunden Menschen in so rätselhafter Weise enden sehn.
Es vergingen mehrere Stunden, der Tag war angebrochen, in den Räumen, die nachts einen so unheimlichen Eindruck gemacht, webte helles, freundliches Licht.
Da öffnete sich die Tür nach meinem Zimmer, der alte Diener rannte herein und stieß zitternd die Worte hervor:
»Ich bitte Sie, Herr Doktor, kommen Sie herüber! Sehen Sie, was geschehen ist.«
Ich folgte dem Alten nach Rosens Schlafgemach. Wir traten an das Bett.
Auf dem Halse des Unglücklichen zeigte sich deutlich die
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