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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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nachts hät­te er häu­fig laut ge­stöhnt und auf­ge­schri­en, so daß er, der Die­ner, mehr­mals zu To­de er­schro­cken ins Zim­mer ge­eilt wä­re, um sei­nem Herrn bei­zu­ste­hen. Der Herr ha­be ihm aber sol­ches stets sehr barsch un­ter­sagt und ein für al­le­mal ver­bo­ten, nachts bei ihm ein­zu­tre­ten, wenn nicht ge­klin­gelt wür­de. Heu­te ha­be der Herr einen be­son­ders schlim­men Tag ge­habt, sehr viel ge­ächzt und ge­jam­mert und kei­nen Bis­sen ge­ges­sen. Um halb sechs Uhr abends hät­te er ge­läu­tet und ihn mit ei­ner Kom­mis­si­on be­auf­tragt, für die bei­läu­fig ei­ne Stun­de er­for­der­lich war. Er wä­re aber mit sei­ner Ar­beit nicht gleich fer­tig ge­wor­den, hät­te sich um un­ge­fähr zwan­zig Mi­nu­ten ver­spä­tet, als im Schlaf­zim­mer ein dump­fer Knall er­folg­te. Und als er sah, daß sein Herr auf sich ge­schos­sen, wä­re er au­gen­blick­lich zum Te­le­fon ge­lau­fen und hät­te ins Ca­fe Zen­tral te­le­fo­niert, wo, wie er zu­fäl­lig wuß­te, die Her­ren von der Kli­nik ih­re Zei­tung la­sen. Das sei aber schon vor ei­ner Vier­tel­stun­de ge­sche­hen.
    »Gut«, sag­te der Dok­tor, »Sie wer­den mir Pa­pier und Tin­te ge­ben und dann mit dem, was ich auf­schrei­be, so­fort ins Po­li­zei­ge­bäu­de ge­hen. Es ist mei­ne Pflicht, gleich die An­zei­ge zu er­stat­ten.«
    Im sel­ben Au­gen­blick be­merk­te der Arzt, daß Ker­dac die Au­gen weit ge­öff­net hat­te und die Lip­pen be­weg­te. Er eil­te hin und beug­te sich über den Schwerat­men­den.
    »Schi­cken Sie den Die­ner in sein Zim­mer«, flüs­ter­te Ker­dac, »ich möch­te mit Ih­nen spre­chen.«
    Dr. Klaar bat ihn, sich ru­hig zu ver­hal­ten; er wol­le nur et­was auf­schrei­ben und in die Apo­the­ke sen­den.
    »Apo­the­ke – nicht wahr?« stöhn­te der Kran­ke. »Ich ha­be al­les ge­hört, was ge­spro­chen wur­de. Wo­zu die Po­li­zei? Es wird sehr bald aus sein. Ich möch­te Ih­nen Wich­ti­ges mit­tei­len.«
    Er brach ab und be­gann auf der De­cke zu fin­gern. Sein Ge­sicht ver­fiel rasch und die Na­se wur­de spit­zig.
    Das hip­po­kra­ti­sche Ge­sicht – dach­te der Arzt und dann fiel ihm ein, daß es in die­sem Fal­le wohl gleich­gül­tig und ganz und gar sei­ne Sa­che sei, wenn die Po­li­zei die Mel­dung um zehn Mi­nu­ten spä­ter er­hielt.
    Er be­schloß, den Wil­len des Ster­ben­den zu er­fül­len, wies den Die­ner an, sich in sei­nem Zim­mer be­reit zu hal­ten und setz­te sich dicht ne­ben den Kran­ken, der dank­bar lä­chelnd die Ober­lip­pe em­por­zog. Es wi­der­streb­te ihm, den Ar­men noch mit der Un­ter­su­chung durch die Son­de zu quä­len. Sei­ner Schät­zung nach steck­te das Blei im un­te­ren Teil des Herz­beu­tels. Wie durch ein Wun­der ver­moch­te das Or­gan noch aus­zu­hal­ten. Müh­sam pump­te es noch ei­ni­ge Zeit das Blut durch den Kör­per – mit im­mer schwe­re­ren Schlä­gen.
    »Grei­fen Sie un­ter mein Kopf­kis­sen«, mur­mel­te Ker­dac. Der Arzt er­füll­te sei­nen Wunsch und zog ein schma­les Käst­chen aus rot­brau­nem Ma­ro­quin­le­der her­vor. Auf dem durch die Zeit glän­zend po­lier­tem De­ckel war ein Wap­pen in Re­li­ef­pres­sung: ei­ne ge­flü­gel­te Schlan­ge mit ei­nem Frau­en­kopf. Dar­un­ter stand in la­tei­ni­schen Buch­sta­ben A Tor­men­to.
    »Se­hen Sie al­les ge­nau an«, sag­te Ker­dac. »Ich st­er­be noch nicht. Mir ist ganz wohl.« Sei­ne Li­der klapp­ten her­un­ter, so daß der Arzt sich er­schro­cken vor­beug­te. Ker­dac lag be­we­gungs­los und at­me­te re­gel­mä­ßig, wenn auch sehr schwach.
    Dr. Klaar öff­ne­te das Käst­chen. Es war mit ehe­mals weißem, längst gelb­lich ge­wor­de­nem Samt ge­füt­tert. In zwölf halb­run­den Ver­tie­fun­gen la­gen dün­ne Stein­schlif fe, glatt und durch­sich­tig, dar­über, wie ein Schutz­deck­chen, ei­ne Halb­mas­ke, aus brü­chi­ger, schwar­zer Sei­de. Die Mas­ke hat­te nur ei­ne ein­zi­ge run­de Öff­nung an der Stel­le des rech­ten Au­ges, und die­se war mit ei­ner Art von vor­ste­hen­dem Rand ver­se­hen, als soll­te ein klei­nes Au­gen­glas ein­ge­scho­ben wer­den. Ein schma­ler Per­ga­ment­strei­fen, der in der Mas­ke lag, war eben­falls

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