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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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mit la­tei­ni­schen Buch­sta­ben be­druckt oder sehr ge­schickt be­schrie­ben.
    Der Dok­tor blick­te fra­gend auf den Kran­ken und sah dann wie­der den Zet­tel an, als je­ner die Au­gen be­harr­lich ge­schlos­sen hielt. Der In­halt war ihm voll­kom­men un­ver­ständ­lich, so­wohl die Über­schrift als al­les an­de­re:
     
    Die wah­ren Klein­odi­en des Tor­men­to.
    Ja­nua­ri­us. – Hya­cinth. – Eva.
    Fe­brua­ri­us. – Ame­thyst. – Poppäa.
    Mar­ti­us. – He­lio­trop. – Sa­lo­me.
    Apri­lis. – Sa­phir. – Se­le­ne.
    Ma­jus. – Sma­ragd. – Dia­na.
    † Ju­ni­us. – Chal­ce­don. – Na­he­ma. †
    Ju­li­us. – Car­neol. – Astar­te.
    Au­gus­tus. – Onyx. – Se­mi­ra­mis.
    Sep­tem­ber. – Chry­so­lith. – Li­lith.
    Ok­to­ber. – Aqua­ma­rin. – Un­di­ne.
    No­vem­ber. – To­pas. – Rox­a­ne.
    De­zem­ber. – Chry­so­pras. – He­le­na.
    Ru­fe al­le, nur Na­he­ma nicht!
     
    Dr. Klaar hat laut ge­le­sen. Wie ein ver­weh­tes Echo klang es von den Lip­pen des Ver­wun­de­ten: »– – – nur Na­he­ma nicht –!«
    Und dann sah Ker­dac mit er­staun­ten Bli­cken, wie aus tie­fem Schlaf er­wacht, den Frem­den an, der da an sei­nem La­ger saß, und be­trach­te­te die wohl­be­kann­ten Ge­gen­stän­de in sei­nem Zim­mer.
    »Ich war be­wußt­los?« frag­te er mit schwa­cher Stim­me. »Ich fühl­te, wie ich ver­sank – – im­mer wei­ter ins Schwar­ze – – –«
    Ein hef­ti­ger Schau­er über­lief sei­nen Leib. Sei­ne Hand hasch­te nach der des Arz­tes.
    »Sa­gen Sie, – Herr Dok­tor –, es – ist al­so kei­ne Ret­tung –? Wenn man ei­ne Ope­ra­ti­on vornäh­me?«
    Dr. Klaar sah un­will­kür­lich weg und ver­such­te, den Kran­ken mit den üb­li­chen, nichts­sa­gen­den Phra­sen zu trös­ten und ihm Mut ein­zu­re­den. Es war nicht das ers­te­mal, daß er bei ei­nem Selbst­mör­der die­ses ent­setz­li­che Er­wa­chen mit­an­sah, die jä­he Er­kennt­nis ei­ner un­sin­ni­gen, jäm­mer­li­chen Tat, die nicht mehr gutz­u­ma­chen war. – Er dach­te an je­ne ar­me Nä­he­rin, die vor drei Wo­chen in sei­nem Spi­tal an Phos­phor­ver­gif­tung ge­stor­ben war, – bis zum Schluß trotz ih­res bit­te­ren Le­bens, das sie un­ge­schickt und qual­voll be­en­di­gen woll­te, mit al­len Ge­dan­ken auf Ge­ne­sung hof­fend. Und doch hät­te dies Ge­sund­wer­den nichts an­de­res für sie be­deu­tet, als ein Weiter­schrei­ten auf ih­rem Lei­dens­we­ge, dop­pelt schwer zu er­tra­gen um des klei­nen, krüp­pel­haf­ten und na­men­lo­sen Ge­schöp­fes wil­len, das sie, ver­las­sen wie ein Tier auf der Hei­de, in ih­rer fros­ti­gen Dach­kam­mer zur Welt ge­bracht hat­te. – Glück­lich die, die sich schnell zu tö­ten wuß­ten, die hin­über­schlie­fen oder die das En­de blitz­ar­tig traf, mit­ten im blü­hen­den Le­ben, so schnell, daß sie kei­nen Ge­dan­ken mehr den­ken konn­ten.
    Ker­dac hat­te Trä­nen in den Au­gen, als er die Mie­ne des Arz­tes sah. Aber er war tap­fer ge­nug, sich ab­zu­fin­den.
    »Dann will ich Ih­nen al­les er­zäh­len«, sag­te er lei­se, »Sie al­lein sol­len es wis­sen.«
    »Sie soll­ten nicht viel spre­chen«, er­wi­der­te Dr. Klaar und sah un­schlüs­sig auf die Uhr. Er wun­der­te sich, daß er hier saß, an­statt die vor­ge­schrie­be­ne An­zei­ge zu er­stat­ten.
    »Bit­te – blei­ben Sie da – – –«
    Ein tie­fes Stöh­nen, dem ein schluch­zen­der Laut folg­te, zeig­te die krampf­ar­ti­gen Schmer­zen Ker­dacs an. Er hielt die Hand des Arz­tes mit hilflo­sen, schwa­chen Fin­gern so fest als mög­lich um­spannt, als fürch­te­te er, al­lein und ein­sam ster­ben zu müs­sen, und kön­ne ihn so hal­ten. Als er sich ein we­nig er­holt hat­te, be­gann er has­tig zu spre­chen; all­mäh­lich wur­de sei­ne Stim­me ru­hi­ger und ver­nehm­li­cher, wenn auch so lei­se, daß der Dok­tor sein Ohr dem Mun­de des Schwer­ver­letz­ten nä­hern muß­te, um ihn vor ge­fähr­li­cher An­stren­gung zu be­wah­ren. Wäh­rend der gan­zen Er­zäh­lung hielt Dr. Klaar das selt­sa­me Käst­chen in der Hand.
    »Nie­mand wird um mich trau­ern«, sag­te Ker­dac, »ich ha­be nie­man­den, der mich liebt. Ich bin seit mei­nem zehn­ten

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