Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
Vom Netzwerk:
Jahr im­mer al­lein ge­we­sen, ganz al­lein. Ver­ste­hen Sie, wie trau­rig das ist? Wis­sen Sie, was so ein ar­mer, ver­schüch­ter­ter und freud­lo­ser Bub lei­det? Pah –! Das kann nie­mand wis­sen! – Es ist ja so lan­ge her. – Spä­ter, als ich aus dem In­sti­tut, in dem ich mei­ne gan­ze son­nen­lo­se Ju­gend ver­bracht hat­te, her­aus­kam, schick­te man mich auf die Uni­ver­si­tät. Als ich vier­und­zwan­zig Jah­re alt wur­de, er­hielt ich ein Schrei­ben der Vor­mund­schafts­be­hör­de; man gab mir mein Ver­mö­gen her­aus, das ein al­ter, gries­grä­mi­ger No­tar, der sich sonst um sein Mün­del nicht ge­küm­mert hat­te, ver­wal­te­te. Ich nahm die­se Tat­sa­che mit je­ner stump­fen Gleich­gül­tig­keit, mit ei­ner Pas­si­vi­tät auf, die mir zur zwei­ten Na­tur ge­wor­den war. Ich leb­te nun bes­ser als frü­her, hat­te ei­ne große, von ei­nem kunst­sin­ni­gen Ta­pe­zie­rer aus­ge­stat­te­te Woh­nung und ver­grub mich in mei­ne Bü­cher. Bü­cher kau­fen war üb­ri­gens der ein­zi­ge Lu­xus ge­we­sen, den ich mir bis­her ge­stat­tet hat­te.
    Ich in­ter­es­sier­te mich, wohl in­fol­ge mei­nes ein­sa­men, ver­in­ner­lich­ten Le­bens, au­ßer­or­dent­lich für sel­te­ne, ok­kul­tis­ti­sche Wer­ke. Mit der Zeit sam­mel­te ich ei­ne ziem­lich große An­zahl sol­cher Bü­cher, vom Agrip­pa von Net­tes­heim bis zu mo­dern-spi­ri­tis­ti­schen Schrif­ten. – Ich be­faß­te mich voll lei­den­schaft­li­chen Ei­fers mit der Ent­zif­fe­rung und Aus­le­gung un­be­kann­ter, ori­en­ta­li­scher Ma­nu­skrip­te. Ne­ben­bei ver­such­te ich, prak­ti­sche Ma­gie zu be­trei­ben. Aber ab­ge­se­hen von flüch­ti­gen Hal­lu­zi­na­tio­nen und vi­sio­nären Traum­bil­dern, die wohl nur in­fol­ge der da­bei vor­ge­schrie­be­nen Räu­che­run­gen mit aro­ma­ti­schen, zum Teil gif­ti­gen Stof­fen ent­stan­den, er­leb­te ich nichts, was mich den Ge­heim­nis­sen, die ich er­grün­den woll­te, nä­her­brach­te. Ei­ni­ge Men­schen, die ich im Lauf der Jah­re ken­nen­lern­te und die sich im Ver­bor­ge­nen mit ähn­li­chen Din­gen ab­ga­ben, be­haup­te­ten zwar, mehr als ich er­kannt zu ha­ben. Sie glaub­ten es viel­leicht wirk­lich. Ein­mal wur­de ich mit ei­nem Men­schen be­kannt ge­macht, der im Be­sit­ze un­er­hör­ter Zau­ber­kräf­te sein soll­te und sich für einen Ori­en­ta­len aus­gab. Mit un­er­schüt­ter­li­cher Ge­duld lausch­ten sei­ne Jün­ger den Fan­tasi­en die­ses Men­schen, der im Grun­de nur ein harm­lo­ser Schwind­ler war und sich auf sei­ne Wei­se klei­ne An­nehm­lich­kei­ten er­gat­ter­te. Sei­ne ma­gne­ti­schen Ku­ren ver­an­lag­ten die Be­hör­de, ihn in sein Hei­mat­dorf in Bay­ern ab­zu­schie­ben. Und so war auch das nichts ge­we­sen. – Bit­te, trock­nen Sie mir die Stir­ne, Dok­tor!«
    Der an­de­re be­tupf­te mit ei­nem Tuch vor­sich­tig die Stir­ne Ker­dacs, die mit großen Schweiß­per­len be­deckt war. Viel­leicht ließ sich dies ar­me Le­ben doch noch et­was ver­län­gern; die Na­del der be­reit­ge­hal­te­nen Pra­vaz-Sprit­ze drang leicht durch die schlaf­fe Haut des Un­ter­ar­mes. Die In­jek­ti­on schi­en Ker­dac wohl zu tun, er at­me­te tief auf und fuhr et­was leb­haf­ter fort:
    »Das ha­be ich Ih­nen er­zählt als ei­ne der vie­len Ent­täu schun­gen, die ich er­litt. Es war im­mer das­sel­be. In In­di en, in Darb­han­gah, zeig­te mir ein Fa­kir für zehn Ru­pi­en das be­rühm­te Wach­sen des Man­go­bau­mes. Un­ter fort­ge­setz­ten Be­schwö­run­gen ent­sproß­te dem ein­ge­pflanz­ten Sa­men­kern ei­ne hell­grü­ne, jun­ge Pflan­ze, die im­mer hö­her wuchs, nach­dem sie je­des­mal mit ei­nem Tuch be­deckt wor­den war. Schließ­lich ent­riß ich dem schrei­en­den Kerl Topf und Pflan­ze – der Sa­men­kern war ge­spal­ten und mit großer Ge­schick­lich­keit ein ab­ge­schnit­te­ner Man­gospröß­ling hin­ein­ge­klemmt. Im Tuch wa­ren noch vier Stämm­chen, eins im­mer grö­ßer als das an­de­re.
    Warum ich das er­zäh­le? Um Ih­nen zu be­wei­sen, daß ich kein Neu­ling bin in die­sen Din­gen und Trug von Wirk­lich­keit wohl zu un­ter­schei­den ver­mag. Um Ih­nen

Weitere Kostenlose Bücher