18 Geisterstories
recht«, sagte beifällig Anatole, der immer eifriger dem Kümmel zusprach und anfing zärtlich zu werden.
»Ja«, fuhr der arme Geist fort, »da ich also durch die Musik aus dem Paradiese vertrieben worden und in der Hölle keinen Platz finden konnte –«
»Aber das Fegefeuer?« warf Anatole ein.
»Das ist seit langer Zeit geschlossen«, sagte der ande re. »Es haben sich da ganz unmögliche Dinge zugetragen. – Sehen Sie, mir blieb wirklich nichts anderes übrig, als auf die Erde zurückzukehren und da bin ich eben in meine alte Behausung eingekehrt, die ich nun schon gegen so viele Idioten, die durchaus darin wohnen wollten, tapfer verteidigt habe.
Ich bin gezwungen gewesen, die alleralbernsten Farcen aufzuführen, nur um mir ein wenig Ruhe zu verschaffen. Ich bin einer alten Dame, die hier eingezogen ist, als Skelett mit einem von schwarzen Schleiern umwallten Totenschädel erschienen und habe sie so in Furcht gejagt, daß sie selbst gestorben ist. Einen praktischen Arzt, der sich als Freigeist aufspielte, habe ich durch Kettengerassel und durch feurige Schriftzeichen, die ich auf der Wand erscheinen ließ, zu verjagen gewußt. Man hat ihn schwer erkrankt von hier fortgebracht. Es ist wahr, daß das, was ich auf die Wand geschrieben, dazu angetan war, ihn mit Schrecken zu erfüllen. Dann ist ein phlegmatischer Engländer hier eingezogen, der der Sache auf den Grund gehen wollte und mich überall hin, sogar bis auf den Speicher verfolgte. Ich habe hartnäckig seine Kerze ausgeblasen und alle Türen vor ihm lautlos weit aufgerissen. Da verließ ihn sein Phlegma bald und er machte sich aus dem Staube. Darauf zog ein alter Oberst mit seiner musikalischen Tochter hier ein. Ich flüsterte dem jungen Mädchen, sobald es sich an das Klavier setz te, die tollsten Dinge in das Ohr und riß den Vater, wenn er sich zu Bett legte, an den Füßen heraus. Sie haben sich ebenfalls sehr bald fortgemacht. – Sie werden einwerfen, daß das banale abgedroschene Farcen seien, aber sie strengen weiter nicht an und ziehen immer noch. Auf diese Weise ist es mir denn gelungen, mir wirklich nach und nach ein wenig Ruhe zu verschaffen und wenn ich Ihnen dies alles heute abend erzähle, so geschieht es, weil ich Sie für sehr intelligent halte – obgleich Sie ja jetzt ein wenig angetrunken sind.«
»Ich habe nichts getrunken«, sagte Anatole beleidigt.
»Intelligent, obwohl augenblicklich etwas betrunken«, fuhr das Gespenst fort, »mein Zweck dabei ist, Sie zu veranlassen, Herrn Pont davon zu überzeugen, daß sein Haus wirklich unbewohnbar ist, wegen der Geister, die darin umgehen.«
»Es ist nicht wahr«, sagte Anatole vertraulich werdend, »du bist kein Geist.«
»Wieso?« fragte das Gespenst.
»Nein«, erklärte Anatole, der so betrunken war, daß er kaum noch reden konnte, »nein … Gespenster … die sind nicht wie du … Die machen Angst … du aber … du machst mir keine Angst.«
»Ich mache dir keine Angst«, sagte das Gespenst ärgerlich, »du dummer Bengel –«
»Nein«, stotterte Anatole, »nicht die geringste Angst … Aber … du darfst mir keine Grobheiten sagen … nein … das … das tut mir weh. Du bist ein wenig betrunken, sonst aber wirklich ganz nett.«
»Welch ein Dummkopf«, murmelte das Gespenst. »Es ist ein ebensolcher Idiot, wie die anderen auch. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als ihm die gewohnten Hanswurstereien vorzumachen.«
Und plötzlich verlöschten die Kerzen der Armleuchter und das Feuer im Kamin. Jedes, auch das kleinste Geräusch verstummte und Totenstille herrschte ringsumher. Vor Anatole aber erhob sich drohend die Gestalt des al ten Herrn, der riesenhafte Verhältnisse angenommen hatte und mit dem Kopf bis zu der Decke des Zimmers ragte;
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