18 Geisterstories
dieser Kopf aber hatte kein menschliches Aussehen mehr, es war das eines Ungetüms mit weit vorstehenden furchtbaren Zähnen und mit feurigen Augen, die wie Irrlichter durch den unheimlichen, das Gemach erfüllenden Nebel leuchteten.
Anatole, der plötzlich nüchtern geworden, stand einen Augenblick stumm, mit gesträubtem Haar und von Entsetzen überwältigt da.
Der Geist aber streckte seine leichenfarbenen, mit langen Fühlfäden versehenen Hände drohend nach ihm aus.
Anatole, der sich von einem namenlosen Grauen erfüllt fühlte, schrie laut auf vor Furcht und versuchte so schnell wie möglich den Ausgang zu gewinnen.
Er prallte gegen den Kamin, verletzte dann seine Schulter an der Ecke des Büfetts und sprang, da er die Türe nicht finden konnte, endlich durch das Fenster. Auf diese Weise gelang es ihm ja ziemlich schnell, die Straße zu erreichen, wo er jedoch ohnmächtig liegen blieb. Er kam mit einem Schenkelbruch und verschiedenen ernsten Kontusionen davon.
»Wenn ich bedenke«, murmelte der Geist des alten Herrn, der wieder seine ursprüngliche Gestalt angenommen hatte, »wenn ich bedenke, daß man doch immer wieder zu diesen abgedroschenen alten Farcen zurückgreifen muß! Dabei wird behauptet, die Menschen seien skeptisch geworden!«
Die Kleinodien des Tormento von
Paul Busson
Der österreichische Schriftsteller Paul Busson, 1873 in Innsbruck geboren und 1924 in Wien gestorben, war Offizier, dann Redakteur. Er schrieb Gedichte, Novellen, Romane sowie Jagd- und Tiergeschichten. Eine echte Trouvaille ist seine fantastische Geschichte ›Die Kleinodien von Tormento‹, die 1905 in der österreichischen Rundschau erschien.
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Mit einem heftigen Ruck hielt die Droschke vor einem großen, vornehmen Hause. Der junge Arzt stieg eilig aus und lief am Portier vorbei die breite Treppe hinauf. Im ersten Stock, in der halbgeöffneten Wohnungstüre, wartete der Diener, der ihn soeben telefonisch aus dem Kaffeehaus gerufen hatte. Auf dem kleinen Messingschild stand der Name: Jerome Kerdac.
Der Diener schloß sofort die Türe hinter dem Eingetretenen, nahm ihm Hut und Mantel ab und schob ihn mit zitternden Händen in ein großes, halbdunkles Zimmer; der Hebel klappte – helles Licht strahlte von einem venezianischen Glaslüster aus.
Dr. Klaar schritt auf das breite Bett zu, in dem der Kranke lag. Im Licht kreiste noch eine dünne Wolke bläulichen Pulverdampfes. Es roch nach versengtem Leinen. Des Doktors Fuß stieß an einen harten Gegenstand – es war der Revolver, mit dem Kerdac sich angeschossen hatte.
Der Mann im Bett hielt die Augen geschlossen. Sein weißes Gesicht war mager und unbeweglich, und er atmete ganz schwach. Der Arzt beugte sich über ihn und hob die emporgezogene Bettdecke. Unter der linken Brust war der Revolver angesetzt worden. Ein rundes, kleines Loch mit dunklen Rändern, ein paar feine Blutspritzer auf dem Hemd neben den verkohlten Stellen, die den Kugelriß im Hemd umgaben, das war alles. Vorsichtig glitt des Arztes Hand über den Rücken des Bewußtlosen. Die Kugel befand sich noch im Körper. Das Herz schien verletzt zu sein. Viel war jedenfalls nicht mehr zu machen.
Dr. Klaar ließ sich noch einmal kurz informieren. Der Diener sprach schluckend und stotternd; er hatte sich von seinem Schreck offenbar noch nicht erholt. Sein Herr sei schon seit einiger Zeit hochgradig nervös und melancholisch gewesen; ohne eigentlich krank zu sein, wollte er oft wochenlang das Bett nicht verlassen, auch habe er Tage hindurch keine Nahrung zu sich genommen. Manchmal hätte er, wie es schien, Fieber gehabt, irre geredet und Schreckbilder gesehen, die ihn bedrohten. Besonders
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