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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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spie­len, ob er nun nüch­tern oder be­trun­ken war. Kö­nig Dun­can zum Bei­spiel und der Do­ge im Kauf­mann von Ve­ne­dig sind auch in be­trun­ke­nem Zu­stand noch leicht zu spie­len, weil der Schau­spie­ler im­mer ein paar Die­ner zur Sei­te hat, die sei­ne Schrit­te len­ken kön­nen, wenn er schwankt, und die ihn so­gar fest­hal­ten kön­nen, falls es nö­tig sein soll­te – was sich bis­wei­len als ein äu­ßerst dra­ma­ti­scher Ef­fekt her­aus­ge­stellt hat, der be­son­ders ge­eig­net ist, die Un­si­cher­heit des ho­hen Al­ters zu un­ter­strei­chen.
    Und ir­gend­wie schaff­te es Gu­thrie auch wei­ter­hin, den Geist in ge­wohn­ter Meis­ter­schaft dar­zu­stel­len und da­für ge­le­gent­lich An­er­ken­nung zu fin­den. In der Tat be­stand Sy­bil Ja­me­son dar­auf, daß der stets be­trun­ke­ne Gu­thrie jetzt in der Rol­le des Geis­tes ei­ne Spur bes­ser sei. Und Gu­thrie selbst sprach un­ent­wegt von un­se­rem drei­tä­gi­gen Auf­ent­halt in Wol­ver­ton, ob­wohl sich jetzt eben­so oft dunkle Be­sorg­nis in die vä­ter­li­chen Er­war­tun­gen misch te. Nun, die­ser drei­tä­gi­ge Auf­ent­halt kam wirk­lich. Wir er­reich­ten Wol­ver­ton an ei­nem spiel­frei­en Tag. Zur Über­ra­schung der meis­ten von uns, aber be­son­ders zur Über­ra­schung Gu­thries, stan­den sein Sohn und sei­ne Toch­ter am Bahn­steig, um ihn mit ih­ren ent­spre­chen­den Gat­ten und al­len ih­ren Kin­dern und ei­ner großen Schar von Freun­den will­kom­men zu hei­ßen. Als sie ihn ent­deckt hat­ten, bra­chen sie in fre­ne­ti­sche Be­grü­ßungs­schreie aus.
    Spä­ter fand ich her­aus, daß Sy­bil Ja­me­son, die Gu­thries Fa­mi­lie kann­te, al­le gu­ten Kri­ti­ken nach Wol­ver­ton ge­schickt hat­te, wes­we­gen sie ganz be­gie­rig dar­auf wa­ren, end­lich mit ihm Ver­söh­nung zu fei­ern und sich ihm ge­gen­über so lär­mend wie mög­lich zu be­neh­men. Als er die Ge­sich­ter sei­ner Kin­der und En­kel­kin­der sah und fest­stell­te, daß die Schreie ihm gal­ten, wur­de der al­te Gu­thrie ganz rot im Ge­sicht und strahl­te. Sie schar­ten sich um ihn und schlepp­ten ihn für einen Abend zum Fei­ern da­von.
    Am nächs­ten Tag hör­te ich von Sy­bil, die sie mit­ge­nom­men hat­ten, daß al­les sehr schön ver­lau­fen sei. Er hat­te zwar wie ein Fisch ge­trun­ken, aber sich in be­wun­derns­wer­ter Wei­se un­ter Kon­trol­le ge­hal­ten. Nie­mand au­ßer ihr hat­te et­was be­merkt. Gu­thries Ver­söh­nung mit je­der­mann, voll­kom­men Frem­de ein­ge­schlos­sen, hat­te al­ler Her­zen er­wärmt. Sein Schwie­ger­sohn, ein streit­süch­ti­ger Kerl, war är­ger­lich ge­wor­den, als er hör­te, daß Gu­thrie am drit­ten Abend nicht mehr den Bru­tus spie­len durf­te, und er er­klär­te rund­her­aus, daß Gil­bert Us­her auf sei­nen präch­ti­gen Schwie­ger­va­ter ei­fer­süch­tig sei. Al­les war längst ver­ge­ben. Daß sie so­gar ver­sucht hat­ten, die al­te Sy­bil zu Gu­thrie ins Bett zu le­gen, mag der ro­man­ti­schen Vor­stel­lung ent­sprun­gen sein, je­der Schau­spie­ler müs­se selbst­ver­ständ­lich ei­ne Ge­lieb­te ha­ben. All das war na­tür­lich sehr schön für Gu­thrie und in ei­ner ge­wis­sen Wei­se auch für Sy­bil, doch ich ver­mu­te, daß nach zwei Mo­na­ten un­un­ter­bro­che­ner, kaum kon­trol­lier­ter Trun­ken­heit die nächt­li­che Aus­schwei­fung un­ge­fähr das Schlimms­te war, was man dem an­ge­grif­fe­nen Her­zen des auf­ge­dun­se­nen al­ten Jun­gen hät­te an­tun kön­nen.
    Am ers­ten Abend be­glei­te­te ich Joe Ru­bens und Props zum Wol­ver­to­ner Thea­ter, um mich zu ver­ge­wis­sern, ob die Büh­nen­bil­der rich­tig auf­ge­stellt und die Ko­stüm­ki sten al­le si­cher an­ge­kom­men und auf­be­wahrt wa­ren. Joe ist un­ser Büh­nen­meis­ter. Er war in sei­ner Ju­gend Pro­fi­bo­xer und hat seit­dem ei­ne ein­ge­schla­ge­ne Na­se. In der Mei­nung, daß ein Schau­spie­ler al­les wis­sen müs­se, hat­te ich ein­mal da­mit be­gon­nen, bei ihm Box­stun­den zu neh­men, aber wäh­rend der drit­ten Stun­de mar­schier­te ich in einen mat­ten rech­ten Ha­ken hin­ein, der mich zwar nicht di­rekt um­warf, aber ich hör­te noch sechs

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