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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Stun­den spä­ter das leich­te Dröh­nen von Glo­cken in mei­nem Kopf. Das war das En­de mei­ner Kar­rie­re als Faust­kämp­fer. Joe ist da­ne­ben auch ein sehr an­pas­sungs­fä­hi­ger Schau­spie­ler; er schwärmt von sei­ner ei­ge­nen Ge­nia­li­tät, und in den Staa­ten kommt es oft vor, daß er wäh­rend des Weih­nachts­mo­nats in großen Kauf­häu­sern einen Job als Ni­ko­laus of­fe­riert be­kommt.
    Das ›Mon­arch‹ – so hieß das Thea­ter, in dem wir spie­len soll­ten – war ein la­by­rin­thi­sches al­tes Ge­bäu­de, sehr fins­ter hin­ter der Büh­ne, aber mit ei­nem großen Ka­nin­chen­bau von schmut­zi­gen klei­nen Gar­de­ro­ben und so­gar ei­ner Re­qui­si­ten­kam­mer links von der Büh­ne, die wie ein L ge­formt ist. Ih­re lee­ren Re­ga­le wa­ren dick mit Staub be­deckt.
    Jah­re­lang hat­te im ›Mon­arch‹ kei­ne Show mehr statt­ge­fun­den, wie ich den ver­gil­ben­den Pla­ka­ten ent­neh­men konn­te, die ich von den An­schlag­ta­feln her­un­ter­riß und durch ein ein­fa­ches: HEU­TE ABEND UM 8.30: HAM­LET er­setz­te. Und dann be­merk­te ich in dem kal­ten un­zu­läng­li­chen Licht ein paar win­zi­ge dunkle Schat­ten, die sich vom Hän­ge­bo­den her­ab­fal­len lie­ßen und in wei­ten schnel­len Krei­sen her­um­schweb­ten, auch in den Zu­schau­er­raum hin­aus, da der Vor­hang auf war. Fle­der­mäu­se, stell­te ich ent­setzt fest – das ›Mon­arch‹ war wirk­lich schon halb­wegs durch das Fried­hof­stor hin­durch. Die Fle­der­mäu­se wür­den recht gut zu Mac­beth pas­sen, ver­such­te ich mir ein­zu­re­den, aber we­ni­ger gut zum Kauf­mann von Ve­ne­dig, wäh­rend sie bei Ham­let we­der hilf­reich noch hin­der­lich sein wür­den, vor­aus­ge­setzt, sie lie­ßen sich nicht in nächt­li­chen Kampf­for­ma­tio­nen her­ab­fal­len; es wä­re doch sehr zu be­grü­ßen, wenn sie sich für die Dau­er der Geis­ters­ze­nen ru­hig ver­hiel­ten.
    Ich bin si­cher, daß der Prin­zi­pal be­schlos­sen hat­te, in Wol­ver­ton mit Ham­let zu er­öff­nen, um Gu­thrie die bes­te Chan­ce für einen er­folg­rei­chen Ein­stand in der Hei­mat­stadt sei­ner Kin­der zu ge­ben.
    »Es ist ein ziem­lich ver­wun­sche­nes Haus«, stell­te Bil ly Simp­son be­geis­tert fest. »Ich wet­te, die Mäd­chen wer­den ei­ni­ge sel­te­ne Geis­ter hier fin­den, wenn sie ihr Brett be­ar­bei­ten.«
    Er konn­te zu die­sem Zeit­punkt nicht ah­nen, wie recht er da­mit hat­te. »Bru­ce!« rief Joe Ru­bens mir zu. »Wir soll­ten viel­leicht ein paar Rat­ten­fal­len kau­fen und im Thea­ter aus­le­gen. Et­was huscht dau­ernd hin­ter dem Vor­hang her­um.« Aber als ich am nächs­ten Abend ei­ne Stun­de vor Be­ginn der Vor­stel­lung durch die knar­ren­de, di­cke Me­tall­büh­nen­tür das ›Mon­arch‹ be­trat, war das Ge­bäu­de ge­fegt und ober­fläch­lich ge­rei­nigt wor­den. Die ›Ham­let‹-Ku­lis­sen sa­hen nicht mehr so düs­ter und schreck­lich aus, ob­wohl man den Vor­hang noch nicht her­un­ter­ge­las­sen hat­te und das Haus mit sei­nen lee­ren Sitz­rei­hen und den bei­den matt­grü­nen Lam­pen am Aus gang nur schwach be­leuch­tet war. Es gab noch ei­ne klei­ne Lam­pe an der Büh­nen­ram pe rechts und ei­ne an­de­re Licht­quel­le auf der lin­ken Büh­nen­sei­te hin­ter den Ku­lis­sen. Nie­mand au­ßer mir war im Thea­ter.
    Ich ging äu­ßerst be­hut­sam quer über die dunkle Büh­ne, um nicht über ein Ka­bel zu stol­pern. Wie­der spür­te ich je­nes elek­tri­sie­ren­de Ge­fühl, das mich so oft in ei­nem lee­ren Thea­ter am Abend vor ei­ner Auf­füh­rung be­fällt. Nur kam dies­mal ir­gend et­was hin­zu, das mir einen Schau­er über den Rücken jag­te. Ich glau­be, es war nicht so sehr der Ge­dan­ke an die Fle­der­mäu­se, die jetzt, für mich un­sicht­bar, über mei­nem Haupt schwe­ben konn­ten, ih­re fast un­hör­ba­ren schril­len Trom­pe­ten­schreie aus­sto­ßend, es war auch nicht der Ge­dan­ke an die Rat­ten, die mich, hin­ter Kis­ten und Platt­for­men ver­bor­gen, viel­leicht aus ih­ren Schlitzau­gen be­ob­ach­te­ten. Vor knapp ei­ner Stun­de hat­te mir Joe näm­lich ge­sagt, daß die von ihm noch letz­te Nacht auf­ge­stell­ten Fal­len heu­te leer

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