18 Geisterstories
Stunden später das leichte Dröhnen von Glocken in meinem Kopf. Das war das Ende meiner Karriere als Faustkämpfer. Joe ist daneben auch ein sehr anpassungsfähiger Schauspieler; er schwärmt von seiner eigenen Genialität, und in den Staaten kommt es oft vor, daß er während des Weihnachtsmonats in großen Kaufhäusern einen Job als Nikolaus offeriert bekommt.
Das ›Monarch‹ – so hieß das Theater, in dem wir spielen sollten – war ein labyrinthisches altes Gebäude, sehr finster hinter der Bühne, aber mit einem großen Kaninchenbau von schmutzigen kleinen Garderoben und sogar einer Requisitenkammer links von der Bühne, die wie ein L geformt ist. Ihre leeren Regale waren dick mit Staub bedeckt.
Jahrelang hatte im ›Monarch‹ keine Show mehr stattgefunden, wie ich den vergilbenden Plakaten entnehmen konnte, die ich von den Anschlagtafeln herunterriß und durch ein einfaches: HEUTE ABEND UM 8.30: HAMLET ersetzte. Und dann bemerkte ich in dem kalten unzulänglichen Licht ein paar winzige dunkle Schatten, die sich vom Hängeboden herabfallen ließen und in weiten schnellen Kreisen herumschwebten, auch in den Zuschauerraum hinaus, da der Vorhang auf war. Fledermäuse, stellte ich entsetzt fest – das ›Monarch‹ war wirklich schon halbwegs durch das Friedhofstor hindurch. Die Fledermäuse würden recht gut zu Macbeth passen, versuchte ich mir einzureden, aber weniger gut zum Kaufmann von Venedig, während sie bei Hamlet weder hilfreich noch hinderlich sein würden, vorausgesetzt, sie ließen sich nicht in nächtlichen Kampfformationen herabfallen; es wäre doch sehr zu begrüßen, wenn sie sich für die Dauer der Geisterszenen ruhig verhielten.
Ich bin sicher, daß der Prinzipal beschlossen hatte, in Wolverton mit Hamlet zu eröffnen, um Guthrie die beste Chance für einen erfolgreichen Einstand in der Heimatstadt seiner Kinder zu geben.
»Es ist ein ziemlich verwunschenes Haus«, stellte Bil ly Simpson begeistert fest. »Ich wette, die Mädchen werden einige seltene Geister hier finden, wenn sie ihr Brett bearbeiten.«
Er konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, wie recht er damit hatte. »Bruce!« rief Joe Rubens mir zu. »Wir sollten vielleicht ein paar Rattenfallen kaufen und im Theater auslegen. Etwas huscht dauernd hinter dem Vorhang herum.« Aber als ich am nächsten Abend eine Stunde vor Beginn der Vorstellung durch die knarrende, dicke Metallbühnentür das ›Monarch‹ betrat, war das Gebäude gefegt und oberflächlich gereinigt worden. Die ›Hamlet‹-Kulissen sahen nicht mehr so düster und schrecklich aus, obwohl man den Vorhang noch nicht heruntergelassen hatte und das Haus mit seinen leeren Sitzreihen und den beiden mattgrünen Lampen am Aus gang nur schwach beleuchtet war. Es gab noch eine kleine Lampe an der Bühnenram pe rechts und eine andere Lichtquelle auf der linken Bühnenseite hinter den Kulissen. Niemand außer mir war im Theater.
Ich ging äußerst behutsam quer über die dunkle Bühne, um nicht über ein Kabel zu stolpern. Wieder spürte ich jenes elektrisierende Gefühl, das mich so oft in einem leeren Theater am Abend vor einer Aufführung befällt. Nur kam diesmal irgend etwas hinzu, das mir einen Schauer über den Rücken jagte. Ich glaube, es war nicht so sehr der Gedanke an die Fledermäuse, die jetzt, für mich unsichtbar, über meinem Haupt schweben konnten, ihre fast unhörbaren schrillen Trompetenschreie ausstoßend, es war auch nicht der Gedanke an die Ratten, die mich, hinter Kisten und Plattformen verborgen, vielleicht aus ihren Schlitzaugen beobachteten. Vor knapp einer Stunde hatte mir Joe nämlich gesagt, daß die von ihm noch letzte Nacht aufgestellten Fallen heute leer
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