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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ei­ner win­zi­gen, bat­te­rie­be­trie­be­nen Lam­pe in sei­ner Spit­ze, um einen schwa­chen grün­li­chen Schim­mer auf die Ge­sichts­zü­ge des Geis­tes zu wer­fen, und über dem Helm einen grü­nen Schlei­er aus Nes­sel­tuch, der im Par­kett wie Ne­bel aus­sieht. Un­ter dem Um­hang trug er ei­ne Gar­ni­tur al­ter Büh­nen­waf­fen, aber das ist nicht wich­tig, denn im Not­fall kam er auch oh­ne sie aus.
    Bis zu sei­nem Auf­tritt schal­te­te der Geist sein Helm­licht nicht an, aus Furcht, von ir­gend­ei­ner Ecke im Zu­schau­er­raum aus ge­se­hen zu wer­den; heu­te läßt er we­gen je­nes Aber­glau­bens, von dem ich be­reits ge­spro­chen ha be, den Nes­sel­tuch­schlei­er erst in letz­ter Se­kun­de fal­len. Aber als Gu­thrie Boyd die Rol­le spiel­te, exis­tier­te die­ses Ver­bot noch nicht, und ich er­in­ne­re mich leb­haft dar­an, wie er in den Ku­lis­sen stand und auf sei­nen Auf­tritt war­te­te: ei­ne große, bä­ren­star­ke, rät­sel­haf­te Ge­stalt, so we­nig über­na­tür­lich wie ein bu­schi­ges, sie­ben Fuß ho­hes Im­mer­grün, das von ei­ner grau­en Per­sen­ning be­deckt war.
    Aber wenn Gu­thrie das win­zi­ge Licht ein­schal­te­te, lei se und ge­schmei­dig auf die Büh­ne trat und sei­ne hoh­le, leicht ge­quält klin­gen­de Stim­me er­hob, über­fiel al­le ein schreck­li­ches, grau­en­er­re­gen­des Schau­dern, das so­gar uns hin­ter der Büh­ne in sei­nen Bann schlug, als hör­ten wir Wor­te, die in Wirk­lich­keit über die schwar­zen, un­end­li­chen Golf­strö­me aus dem Jen­seits zu uns her­über­tön­ten.
    Auf je­den Fall war Gu­thrie ein großer Geist und viel­leicht so­gar ein biß­chen bes­ser als in sei­nen an­de­ren Rol­len – zu­min­dest in die­sen ers­ten Wo­chen, als er noch nicht trank. Er schi­en sehr glück­lich über sein ge­lun­ge­nes Co­me­back zu sein, ob­wohl uns aus sei­nen Au­gen bis­wei­len ir­gend et­was Schwe­res und To­tes an­starr­te: Der al­te Al­ko­ho­li­ker frag­te sich of­fen­bar, was all die­ser er­mü­den­de, nüch­ter­ne Un­sinn ei­gent­lich zu be­deu­ten ha­be. Er freu­te sich ganz be­son­ders auf un­se­ren drei­tä­gi­gen Auf­ent­halt in Wol­ver­ton, der da­mals noch zwei Mo­na­te ent­fernt in der Zu­kunft lag. Der Grund war, daß sei­ne bei­den Kin­der, die in­zwi­schen na­tür­lich längst ver­hei­ra­tet wa­ren, in Wol­ver­ton leb­ten. Ich bin si­cher, daß er großen Wert dar­auf leg­te, ih­nen in ei­ge­ner Per­son sei­ne Re­ha­bi­li­ta­ti­on vor Au­gen zu füh­ren, in der Hoff­nung, auf die­se Wei­se ei­ne Ver­söh­nung her­bei­zu­füh­ren.
    Aber dann kam sei­ne ers­te Vor­stel­lung als Othel­lo. (Der Prin­zi­pal, un­ser ei­gent­li­cher Star, spiel­te im­mer den Ja­go, ei­ne ge­nau­so große, aber eben nicht die Ti­tel­rol­le.) Gu­thrie war na­tür­lich schon zu alt für den Othel­lo, und au­ßer­dem stand es mit sei­ner Ge­sund­heit nicht zum Bes­ten – die Zeit des Trin­kens hat­te ih­ren Tri­but ge­for­dert, die Pro­ben­ar­beit und die ers­ten all­abend­li­chen Auf­trit­te in acht ver­schie­de­nen Stücken nach Jah­ren fern vom Thea­ter hat­ten ihn er­schöpft. Aber ir­gend­wie bro­del­te der al­te Vul­kan im­mer noch in ihm, und er gab sich al­le Mü­he, ei­ne aus­ge­zeich­ne­te Auf­füh­rung zu­stan­de kom men zu las­sen. Am nächs­ten Mor­gen schwärm­ten die Zei­tun gen von ihm, und ei­ne Be­spre­chung stell­te ihn so­gar über den Prin­zi­pal.
    Das war es, un­glück­li­cher­wei­se. Die Glo­rie sei­nes Tri­um­phes war zu­viel für ihn. Am nächs­ten Abend – wie­der als Othel­lo – war er be­trun­ken wie ein Stink­tier. Zwar er­in­ner­te er sich noch der meis­ten sei­ner Ver­se, aber er ver­has­pel­te sich des öf­te­ren und tor­kel­te hin und her. Um nicht hin­zu­fal­len, stütz­te er sich mit schwe­rer Hand auf die Schul­tern sei­ner Mit­spie­ler, ja er ver­gaß so­gar wäh­rend der ers­ten zwei Ak­te, sei­ne falschen Zäh­ne ein­zu­set­zen, so daß sei­ne Stim­me brei­ig klang. Um das Maß voll zu ma­chen, be­gann er in der letz­ten Sze­ne noch, Ger­tru­de Grain­ger zu wür­gen, bis die be­reits bläu­lich an­ge­lau­fe­ne Des­de­mo­na, vom

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