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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ver­las­sen, daß sei­ne Kin­der ver­nünf­tig ge­nug sind, ihn hier in­takt ab­zu­lie­fern. Was durch­aus nicht si­cher ist, wenn man Sy­bils Wor­ten über sie Glau­ben schen­ken darf.«
    Props starr­te mich wie ei­ne Eu­le an und schüt­tel­te lang­sam sei­nen Kopf. »Gu­thrie ist vor zehn Mi­nu­ten hier ein­ge­trof­fen«, sag­te er, »und sah nicht be­trun­ke­ner aus als ge­wöhn­lich.«
    »Das er­leich­tert mich«, sag­te ich und mein­te es auch so.
    »Die Mäd­chen hal­ten ei­ne Oui­ja-Sit­zung ab«, fuhr er fort, als ob er da­zu aus­er­se­hen sei, über uns je­der­zeit Be­richt zu er­stat­ten. »Sie ha­ben ge­nau­so wie du das Über­na­tür­li­che hier ge­ro­chen, und sie be­fra­gen das Brett nach dem Na­men des Ver­bre­chers.« Dann bück­te er sich.
    Ich nick­te. Der Licht­schein aus Ger­tru­de Grain­gers Gar­de­ro­be be­stärk­te mich dar­in, daß die Da­men dort am Oui­ja-Brett sa­ßen. Props tauch­te wie­der aus sei­ner ge bück­ten Stel­lung auf und hielt ei­ne klei­ne Fla­sche Whis ky in sei­ner Hand. Ich glau­be nicht, daß mich ein ge­la­de­ner Re­vol­ver so sehr ver­blüfft hät­te. Er öff­ne­te den Ver­schluß.
    »Der Prin­zi­pal kommt ge­ra­de«, sag­te er ru­hig, als er die Büh­nen­tür knar­ren hör­te. »Jetzt sind be­reits sie­ben von uns im Thea­ter.« Lang­sam trank er einen großen Schluck Whis­ky und schraub­te dann die Fla­sche mit ei ner so na­tür­li­chen Hand­be­we­gung wie­der zu, als wür­de er all­abend­lich nichts an­de­res tun. Ich glotz­te ihn kom­men­tar­los an. Was er da ge­ra­de tat, war ganz ein­fach un­er­hört für Bil­ly Simp­son.
    In die­sem Au­gen­blick ver­nahm ich einen schar­fen Schrei und das Klop­fen auf dün­nes Holz. Dann hör­te ich ir­gend et­was Me­tal­li­sches gel­lend her­un­ter­fal­len und has­ten­de Schrit­te. Ich lief so schnell ich konn­te zur Tür von Ger­tru­de Grain­gers Gar­de­ro­be, oh­ne mich dar­um zu küm­mern, ob ich in der Dun­kel­heit über Ka­bel stol­per­te.
    Ich riß die Tür auf und sah beim hel­len Schein der Glüh­bir­nen, die den Spie­gel ein­rahm­ten, Ger­tru­de und Sy­bil eng zu­sam­men­sit­zend, das Oui­ja-Brett um­ge­stürzt vor ih­nen auf dem Bo­den. Blaß und mit star­rem Blick preß­te sich Mo­ni­ca an Ger­tru­des Ko­stü­me, die auf ei­nem Stän­der hin­gen, als woll­te sie sich hin­ter ih­nen ver­stec ken. Sie schi­en mich nicht zu be­mer­ken. Das dun­kel­grü­ne, schwe­re Bro­kat­ko­stüm, das Ger­tru­de als Kö­ni­gin in Ham­let trägt, un­ter­strich Mo­ni­cas Bläs­se. Al­le drei tru­gen im­mer noch ih­re Stra­ßen­klei­dung.
    Ich ging auf Mo­ni­ca zu, leg­te einen Arm um sie und er­griff ih­re Hand. Sie war kalt wie Eis. Mo­ni­ca stand er­starrt vor mir.
    Wäh­rend­des­sen er­hob sich Ger­tru­de und er­klär­te in hoch­mü­ti­gen Tö­nen, was ich Ih­nen schon frü­her er­zählt ha­be: daß sie das Brett be­fragt hät­ten, wer der Geist sei, der heu­te nacht das ›Mon­arch‹ heim­su­chen wür­de, und daß die Plan­chet­te den Na­men Sha­ke­s­pea­res buch­sta­biert hät­te.
    »Ich weiß nicht, warum dich das so auf­regt, mei­ne Lie­be«, füg­te sie mür­risch hin­zu. »Es ist doch nur na­tür­lich, wenn sein Geist die Vor­stel­lun­gen sei­ner Stücke be­sucht.«
    Ich spür­te, wie sich der schlan­ke Kör­per in mei­nem Arm ein we­nig ent­spann­te. Das er­leich­ter­te mich. In mei­ner Ei­gen­sucht freu­te es mich so­gar, einen Arm um sie le­gen zu dür­fen, selbst un­ter so öf­fent­li­chen und we­nig amou­rö­sen Um­stän­den, wäh­rend zur glei­chen Zeit mein al­ber­ner Ver­stand et­was ganz an­de­res dach­te. Wenn Props mich nun be­lo­gen hät­te, als er sag­te, daß Gu­thrie nicht be­trun­ke­ner als ge­wöhn­lich im Thea­ter an­ge­kom­men sei (die­ser neue Props, der har­ten Whis­ky im Thea­ter trank, konn­te ja auch lü­gen, ver­mu­te­te ich) – warum konn­ten wir uns dann bei der heu­ti­gen Abend­auf­füh­rung nicht gleich Wil­liam Sha­ke­s­pea­res selbst be­die­nen. Schließ­lich war der Geist in Ham­let die ein­zi­ge Rol­le in all sei­nen Dra­men, die Sha­ke­s­pea­re höchst­per­sön­lich auf der Büh­ne ge­spielt ha­ben soll. »Ich weiß

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