Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
Vom Netzwerk:
ho­len.
    Mit die­sem glück­lo­sen Schiff hat­te er nicht län­ger zu schaf­fen. Von An­na­po­lis nach Rock Hall ver­kehr­te ein Fähr­be­trieb, mit gu­ten, schnel­len Boo­ten. Er be­ab­sich­tig­te das ers­te Boot zu neh­men, wel­chem das Wet­ter ab­zu­le­gen ge­stat­te­te. Er sah den Stall­knech­ten zu, stell­te fest, daß sie ihr Hand­werk ver­stan­den, und be­lohn­te sie groß­zü­gig. Dann be­stell­te er sich hei­ßen Grog und be­gab sich zu Bett. Durch einen au­ßer­or­dent­li­chen Glücks­fall konn­te er ei­ne ei­ge­ne Kam­mer be­zie­hen.
    Er schlief, ob­wohl in fie­bri­ger Un­s­te­tig­keit. Nach je­dem Er­wa­chen lausch­te er dem Wind. Am Frühnach­mit­tag des nächs­ten Ta­ges, so ver­mu­te­te er, wür­de der Wind sich ab­schwä­chen.
    Er be­hielt recht. Um zwei Uhr des fol­gen­den Ta­ges rief man in den Schan­kräu­men des Gast­hau­ses aus, daß um drei Uhr ei­ne Fäh­re nach Rock Hall aus­lau­fen wer­de. Die Über­fahrt be­an­spruch­te un­ge­fähr vier Stun­den. In­zwi­schen hat­te er be­merkt, daß sich Ge­rüch­te über Ge­scheh­nis­se an der Front aus­brei­te­ten; sie wa­ren falsch, aber man gab sie wei­ter. Ein Han­dels­mann ver­si­cher­te im Sa­loon al­len Zu­hö­rern mit großer Ernst­haf­tig­keit, es ha­be ei­ne ge­wal­ti­ge See­schlacht statt­ge­fun­den. Und so wei­ter und so fort. Der Co­lo­nel, der Ge­or­ge Wa­shing­tons De­pe­sche in der Sat­tel­ta­sche trug, lausch­te le­dig­lich. Na­tür­lich mach­te dies Kur­sie­ren von Kol­por­ta­gen die Über­mitt­lung der Wahr­heit in Ge­stalt der De­pe­sche um so dring­li­cher. Wohl­an, er hat­te nun gu­ten Wind. Und er hat­te Black Damn. Er nahm an, daß er nun end­lich vor­an­zu­kom­men er­war­ten durf­te.
    Die Fäh­re lief um die ge­nann­te Stun­de aus. Am San­dy Point, acht Mei­len nörd­lich von An­na­po­lis, un­ter­quer­te sie die Bay Bridge, ei­ne sie­ben Mei­len lan­ge stäh­ler­ne Stra­ße, auf der – im Jah­re 1974 – Au­tos mit ei­ner Min­dest­ge­schwin­dig­keit von vier­zig Mei­len je Stun­de die Ches­a­pea­ke-Bucht über­quer­ten. Auf der Fäh­re des Jah­res 1781 er­zähl­te ein Pas­sa­gier, daß sein Groß­va­ter sich noch er­in­ner­te, daß die In­dia­ner mit ih­ren Ka­nus stets von der Land­zun­ge aus über die Bucht ge­ru­dert wa­ren, denn dort war die schmäls­te Stel­le. »In ei­nem hal­b­en Tag ka­men sie hin­über«, schloß der Pas­sa­gier.
    Die Fäh­re hat­te fünf­und­zwan­zig Mei­len in nord­öst­li­cher Rich­tung zu­rück­zu­le­gen. Ih­re An­kunft war am Abend um sie­ben Uhr.
    Dann war Tench Tilgh­man an Land. Und dann auch sein Pferd. Dann lag die Stra­ße nach Phil­adel­phia vor Tench Tilgh­man. Die letz­te Etap­pe sei­nes Ku­rier­ritts hat­te be­gon­nen. »Rei­tet, Co­lo­nel. Rei­tet !«
    Er ritt. Es war ein An­pei­len und Vor­wärts­schie­ßen. Es war Schwär­ze und Feu­er. Ei­ne aus­ge­dehn­te Wei­te der Ru­he und ei­ne un­mit­tel­ba­re Um­ge­bung aus Ge­räuschen. Es war ei­ne be­we­gungs­lo­se Welt, worin es nur ei­ne Be­we­gung gab. Sein Pferd und er. Es war Frei­heit von je­dem an­de­ren An­trieb au­ßer dem ei­ge­nen. Kei­ne plump zu­sam­men­ge­na­gel­ten Plan­ken, die auf einen nas­sen Sand­hü­gel lie­fen. Kei­ne Stoff­bah­nen, die statt sei­nem Wil­len dem Wind ge­horch­ten, ihn nach Wes­ten zerr­ten, wo­ge­gen er gen Os­ten woll­te. Kei­ne der Un­zu­läng­lich­kei­ten des Fahr­zeug­ver­kehrs. Nur er selbst, eins mit sei­nem Pferd. Nur Be­we­gung. Rei­ten.
    Die Stra­ße vor ihm war ein wei­cher, lo­cke­rer Pfad. Sie lag ver­las­sen – nie­mand reis­te bei Nacht. Es war fins­ter – die Häu­ser der Pflan­zer wa­ren durch Mei­len Wei­te ge­trennt und stan­den vor­wie­gend nicht an der Stra­ße, son­dern an den Flüs­sen. Er kann­te den Weg gut. Er war die Stre­cke schon mehr­fach ge­rit­ten. In der Tat han­del­te es sich bei die­sem Pfad um einen der Haupt­ver­kehrs­we­ge des ko­lo­nia­len Ame­ri­ka. Nun war er für ihn le­dig­lich ei­ne be­stimm­te Ent­fer­nung. Rei­te!
    Ein­hun­dert Mei­len. Er ritt.
    Black Damn flog mit ihm durch die bei­den ers­ten Teil­stre­cken des Wegs, von Rock Hall über Che­s­ter­town nach

Weitere Kostenlose Bücher