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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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demütigere Selbsterkenntnis gekommen! Doch ließ ich mir nichts merken, sondern meinte nur: „Dann brauchst du kein Sorge zu haben, o Scheik, und wir können uns ruhig schlafen legen, denn mit dem Morgen werden alle deine Krieger die Fährte erkennen, und du erhältst dein Eigentum schnell wieder.“
    „Herr, glaube das nicht!“ rief er schnell. „Der Tau und die Luft der Nacht werden die Spuren verwischt haben. Weißt du nicht, daß eine Spur kaum eine Stunde lang mit Sicherheit zu erkennen ist?“
    „Ich kenne einen, der jede Darb und jede Ethar noch nach einer Woche erkennt. Ihm kann kein Mensch entgehen, den er verfolgt, und sollte er ihn durch die ganze Wüste es Sahar jagen.“
    „Wer ist das, Effendi? Dieser Mann muß Augen haben wie Dschebrafl (Erzengel Gabriel), der durch die Felsen blickt.“
    „Hier sitzt er; es ist Achmed es Sallah, mein Freund und Gefährte.“
    Sie alle blickten den guten Achmed erstaunt an, und dieser wieder warf einen Blick mit einem Ausdruck auf mich, der mich beinahe zum Lachen brachte. Er verstand ja vom regelrechten Verfolgen einer Fährte eben auch nicht mehr, als ein jeder andere Beduine.
    „Ist's wahr, Effendi?“ fragte der Scheik überrascht.
    „Zweifelst du etwa? Ich habe da drüben in dem wilden Land, von welchem ich euch vorhin erzählte, oft eine Fährte mehrere Monate lang verfolgt, bis mir der Feind in die Hände fiel. Ich bin ihm nachgegangen über Wüsten und Sümpfe, durch Wälder und Wiesen, über Felsen und Gebirge, durch Täler und Schluchten, über Flüsse und Bäche, durch Städte und Dörfer; oft war ich wochenweit, oft aber auch nur stundenweit hinter ihm; ich habe nach ihm die Blätter der Bäume, die Halme des Grases, die Tiere des Waldes, den Geruch des Feuers, den Stapfen des Fußes, das Wasser des Baches, das Moos der Höhle, das Geröll des Abhanges und den Schnee der Berge gefragt. Überall habe ich genaue Antwort erhalten, und stets habe ich endlich den gefunden, den ich suchte. Hier in diesem Land ist Achmed es Sallah viele Wochen lang mit mir geritten; glaubt ihr etwa, daß er nichts von dem gelernt habe, der sein Lehrer war. Achmed, sage selbst: getraust du dir, den Krumir zu finden?“
    Die Frage würgte ihn ein wenig, dann aber antwortete er im allerzuversichtlichsten Ton: „Beim Barte des Propheten, ich werde ihn finden, er mag hingehen, wohin er will!“
    Da wandte sich der Scheik sehr schnell an ihn: „Wirst du auch meine Stute, mein Hedschihn und meine Tochter finden?“
    Der gute Achmed warf erst einen fragenden Blick auf mich. Er fing an, mein Verhalten zu begreifen, und als er meine Augen aufmunternd auf sich gerichtet sah, antwortete er sehr entschieden: „Alles werde ich finden!“
    „Achmed es Sallah, wenn du meine Tochter und meine Tiere wiederbringst und den Räuber tötest, erhältst du zwei Pferde, drei Kamele und fünf Schafe von mir!“ gelobte der Scheik. „Ist dies genug?“
    O du alter geiziger Nachkomme Hagars und Ismaels! Warte, ich werde dir sofort einen Strich durch die Rechnung machen! Ich zog ein sehr erstauntes Gesicht und erkundigte mich: „Ali en Nurabi, wie hoch ist die Discha (Blutpreis) eines erwachsenen Kriegers? Ich habe gehört, daß bei den vier Stämmen der Krumirs, zu denen Saadis el Chabir gehört, und bei den neun Stämmen der Beni Rabka, zu denen ihr gehört, für ein Menschenleben fünfzig Kamele oder dreihundert Schafe bezahlt werden.“
    „So ist es.“
    „Nun wohl! Saadis el Chabir, der Räuber, hat einen der eurigen getötet; er steht im Thar (Blutrache), und das Ergreifen seiner Person allein ist also für euch fünfzig Kamele oder dreihundert Schafe wert. Nun sage, o Scheik, wie hoch du nun dazu deine Tochter, deine Stute und dein aschgraues Bischarin-Hedschihn schätzest? Wenn Achmed es Sallah den Krumir fängt und ihm seinen Raub abnimmt, so kannst du es ihm mit vielen Herden vergelten. Und du, Ali en Nurabi, du bietest ihm nur zwei Pferde, drei Kamele und fünf Schafe! Was sagt der Prophet im Koran? Er sagt: ‚Wer hier auf Erden seinem Bruder weniger gibt, als er ihm zu geben hat, dem wird bei der Auferstehung das Hundertfache genommen werden; denn Allah ist der Gerechte; bei ihm gilt einer wie der andere, und alles, was ihr habt, das hat er euch geliehen.‘ So spricht der Prophet. Du bist ein Ungläubiger, daß du nicht nach seinen Geboten handelst. Hast du nicht vorhin el Fatcha, die Heilige, gebetet; hast du nicht dabei gesagt: ‚Führe uns nicht den Weg derer, denen du

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