18 - Orangen und Datteln
über ihm schließt sich die breiartige, fest und hart scheinende Kruste, um auf ein ferneres Opfer zu lauern.
Wer sich einen solchen Pfad anvertrauen will, der muß einen ganz und gar sicheren, nüchtern und geistesgegenwärtigen Führer haben, sonst ist er unrettbar verloren. Als solche Führer oder Chabirs sind die im Süden des Schotts wohnenden Merasig berühmt. Will eine Gesellschaft oder gar eine Karawane die Sebcha überschreiten, so wird vorher zu Allah um Schutz gefleht. Dann schreitet der Führer voran, jeden Zollbreit genau sondierend, ehe er den Fuß darauf setzt. Dann folgen die Kamele mit ihren Treibern, eines hinter dem andern, vielleicht sogar das folgende mit dem Kopf an den Schwanz des vorhergehenden gebunden. Kommen gefährliche Stellen, so zaudert der Führer, die Kamele und Pferde schnauben ängstlich, aber vorwärts, nur immer vorwärts muß es gehen, keinen Augenblick darf der Fuß auf dem dünnen, wankenden, prasselnden und spritzenden Boden halten bleiben, wenn er nicht versinken will; es ist ein über das Grab, über die Hölle Hinübertaumeln, und wenn das andere Ufer erreicht ist, so atmet alles tief auf, und die Männer wenden ihre Angesichter gen Osten, um ein ‚Hamdullillah‘ zu rufen und Gott auf ihren Knien zu danken, daß er den Rachen des Ungeheuers verschlossen gehalten hat. Zu Anfang dieses Jahrhunderts schritt eine Karawane von über tausend Kamelen und vielen Menschen über den Schott el Kebir; unglücklicherweise waren mehrere Gmaïr versunken; das Leitkamel irrte von dem fußbreiten Pfad ab und verschwand in der Tiefe; ihm folgten alle andern; alle verschwanden in der zähen, breiigen Masse; diese schloß sich über der Karawane, und eine halbe Stunde später hatte sich der Abgrund wieder geschlossen, und die Salzdecke zeigte ganz ihre frühere Gestalt wieder, daß nichts den fürchterlichen Unglücksfall verriet. So sind Hunderte und aber Hunderte in den seifigen Schlund gesunken, und wenn sie nicht mehr zum Duar kamen, so beteten die Ihrigen die Sure des Todes und sagten: „Der Ruhh es Sebcha, der Geist des Schotts, hat sie irregeleitet; sie sind hinunter in den schwimmenden Sandgarten; Allah erlöse sie!“
Denn nach dem Glauben der Umwohner der Schotts wohnt der Ruhh es Sebcha in den Tiefen des Wassers und öffnet die Pforten des Todes, wenn ein Mensch die Sebcha betritt, ohne betend sein Antlitz gen Mekka zu wenden. Wenn ein Ungläubiger oder ein großer Sünder über die gähnende Tiefe hinschreitet, so erhebt sich der Geist des Schotts und läßt über den Salzfloreszenzen eine schimmernde Stadt oder eine blühende Uah (Oase; der Beduine sagt Uah) erscheinen, und wenn der Getäuschte dann auf das Trugbild zueilen will, sinkt er dem stummen Abu Jahja (Engel des Todes) in die Arme. –
An alles dieses mußte ich denken, als wir da oben auf der Höhe des Schahia hielten. Bis zu diesem Punkt hatte der Krumir seinen Weg ganz so genommen, wie es Sar Abduk von ihm gesagt worden war. Sollten seine Worte auch ferner zutreffen, so müßte er sich nach Süden, über den Dra el Haua und Dschebel Tarfaui nach Sedada wenden. Doch schien er einen Grund gefunden zu haben, seine Route zu ändern, denn die Spur sprang nach Südwesten um und führte endlich gerade nach Westen.
Wir folgten ihr zwischen dem Schahia und Dra el Haua bis gegen die Abenddämmerung, wo sie wieder eine südwestliche Richtung annahm. Wir hatten uns und unsere Tiere wirklich angestrengt, und eine genaue Untersuchung der Fährte ergab, daß der Verfolgte einen Vorsprung von nur noch einer Stunde vor uns hatte. Dies veranlaßte uns, beim Einbruch der Dunkelheit anzuhalten. Wie leicht war er während des Nachts zu verfehlen; wie leicht konnte er uns zu früh gewahren und dann für uns verloren sein. Am nächsten Vormittag mußten wir ihn auf jeden Fall erreichen.
Wir sattelten also die Pferde ab, als wir ein Johannisbrotgesträuch erreichten, und bereiteten uns in der Nähe desselben mittelst der Sättel und Decken ein Lager.
„Er hat mich doch getäuscht“, meinte Sar Abduk. „Er wird nicht über Seddada und Nefta, sondern über die Enge von Asludsch nach Tuggurt gehen.“
„Kennt er auch diesen Weg?“ fragte ich.
„Er kennt hier alle Pfade; er ist ja el Chabir. Sogar auf der Sebcha weiß er jeden Gmaïr und jede Untiefe. Ihn kann der Ruhh es Sebcha nicht irreführen; er hat die Wanderer über er Rharsa und auch auf el Toserija und es Suida (die zwei Hauptpfade über den Schott Dscherid) geleitet;
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