18 - Orangen und Datteln
kein menschliches Wesen zu sehen bekommen, doch nahm ich an, daß unser Kommen ganz sicher bemerkt worden war. Eben wollten wir den Eingang passieren, als hinter den Seitenpfeilern desselben vier Männer hervortraten und uns ihre langen Flinten entgegenstreckten.
„Rrree, halt! Was wollt ihr, Fremdlinge?“
„Wir sind Wanderer, haben weder Speise noch Wasser bei uns und begehren, diese Nacht bei euch zu bleiben und von euch zu kaufen, was wir bedürfen.“
„Wie kommt ihr hierher, und wer hat euch gesagt, daß hier Männer wohnen?“
„Wir sahen auf der Ebene die Spuren eurer Tiere. Laßt uns ein!“
Sie warfen sich fragende Blicke zu, dann meinte einer von ihnen mit einem wenig verheißungsvollen Gesicht:
„So kommt!“
„Gebt ihr uns Herberge im Namen des Koran und des Propheten?“
„Komm!“
Wir hatten ihren Aufenthalt entdeckt; wir durften El Kasr nicht lebendig verlassen; das war deutlich in ihren Mienen zu lesen. Ich aber wußte mich sicher und fragte, um sie zu versuchen, weiter:
„Warum gibst du mir keine Antwort auf meine Frage?“
„Ich habe dir gesagt, daß du eintreten sollst!“
„Wird mich der Koran bei euch beschützen?“
„Hältst du uns für Räuber, die ihre Gäste töten?“
„Seid, was ihr wollt. Ihr habt uns keinen Gruß geboten; wir werden wieder gehen!“
Ich wandte mein Kamel der Wüste zu, und sofort richteten sich die Gewehre wieder auf uns.
„Halt, ihr bleibt! Hier wohnt der Hedjahn-Bei; ihr werdet die Sahara nicht mehr sehen!“
Ich verschmähte es, eine meiner Waffen zu ergreifen.
„Bist du blind, daß du mir drohest? Siehst du nicht die Gewehre, welche wir tragen? Oder meinst du, daß wir nur mit ihnen spielen? Kennst du nicht das Tier, auf dem ich sitze? Allah hat dir Augen gegeben, aber sie sehen nicht!“
Erst jetzt warfen sie ihre Blicke auf mein Dromedar.
„Das Bischarin des Bei! Wer gab es dir?“
„Er selbst. Ich rettete ihn aus den Krallen des Löwen, als er weit von hier gegen Mitternacht auf Mahmud Ben Mustafa Abd Ibrahim Jaakub Ibn Baschar wartete, den er in die Stadt der Franken geschickt hatte. Seht hier seine Anaïa!“
Dieser lange, ihnen wohlbekannte Name und die Koralle überzeugten sie, aber dennoch blieb ihr Angesicht finster.
„Zu welchem Stamm gehörst du?“
„Ich bin ein Franke.“
„Ein Ungläubiger? Was tust du in der Wüste?“
„Ich komme, um ein Gast des Bei zu sein, mit dem ich zu sprechen habe.“
„So bleibe hier. Es wird dir nichts geschehen, bis er kommt.“
Ich ließ mein Tier niederknien und stieg ab. Josef tat ebenso. Über El Kasr zog ein einsamer Geier seine weiten Kreise. Ahnte er, daß er uns als Speise in dem Felsenspalt finden werde? Ich ergriff die Büchse und schoß ihn herab. Die Räuber hätten dies mit ihren Flinten unmöglich fertiggebracht. Sie staunten. Das wollte ich.
„Eure Lippen haben verschmäht, uns ein Sallam zu sagen; hütet euch vor meinem Auge und vor meiner Kugel!“
„Du hast das Zeichen und drohst uns? Du hast es gestohlen; stirb, Giaur!“
Er legte an, doch mein Revolver war schneller als er. Ich brauchte bloß zweimal abzudrücken, denn Korndörfers Kugel traf den dritten, und der vierte wurde von ihm mit dem Kolben niedergeschlagen.
Sofort wieder ladend, warteten wir zunächst, ob sich ein neuer Feind zeigen werde, doch regte sich in dem Hof nicht das geringste. Hatte der Hedjahn-Bei nur diese vier Männer zur Bewachung des Kasr zurückgelassen? Bei der Abgeschiedenheit und Sicherheit der Lage war dies sehr leicht denkbar; wir mußten es untersuchen.
Das Innere der Ruine war besser erhalten, als es von außen den Anschein hatte. Vor uns lag eine offene von Säulen getragenen Halle, an deren Seiten sich noch mehrere Gemächer anzuschließen schienen. Wir sahen, daß sie leer war, und schritten auf sie zu. Die Nebenräume hatten keine Türen und waren auch leer. Jetzt gelangten wir durch einen hinteren Ausgang in einen zweiten Hof. Das Gebäude war jedenfalls zu der Zeit errichtet worden, als im achten Jahrhundert die mächtigen Uëlad Mussa die Serir überschwemmten. Schon wollte ich diesen Hof betreten, als Korndörfer mich am Arm faßte.
„Halt, Herr! Steht dort hinter der Säule nit auch so aan Halunk'? Er dreht uns den Rücken her und hat uns halt noch gar nit bemerkt.“ Ehe ich antworten konnte, hatte sich der Räuber zu uns gewandt; im nächsten Augenblick blitzte sein Schuß, und die Kugel streifte Josef am Arm.
„Maschallah, is der Kerl unvorsichtig; wie
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