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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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leicht konnte er mich erschießen!“
    Mit diesem Ausruf sprang der Staffelsteiner in weiten Sätzen über den Hof hinüber und packte seinen Mann an der Kehle. Ich eilte ihm nach und kam noch zur rechten Zeit, um zu verhindern, daß er ihn erwürgte.
    „Laß los; wir brauchen ihn vielleicht!“
    Er nahm die Hand von der Gurgel, hielt ihn aber fest.
    „Warum schießest du auf einen Gast des Hedjahn-Bei?“ fragte ich den Gefangenen.
    Es war mir klar, daß sich außer ihm niemand mehr auf dem Kasr befand. Er holte tief Atem, ehe er antwortete:
    „Ein Gast? Wo sind die, welche euch erwarteten? Ich hörte Schüsse. Wer seid ihr?“
    „Sieh hier die Anaïa! Wie viele Männer sind im Schloß?“
    „Fünf, bis der Bei zurückkehrt.“
    „Du irrst! Nur du allein bist hier, denn vier hat unsere Kugel getötet, weil sie uns als Feinde empfingen.“
    „Ihr habt die Koralle und tötet die Männer des Bei! Wer seid ihr?“
    „Ich bin der Bruder des Behluwan-Bei und komme, den Franken zu holen, den ihr gefangen haltet. Wo ist er?“
    „Du sagst die Unwahrheit! Kann ein Mensch der Bruder eines Geistes sein?“
    „Frage den Würger selbst; er wird kommen, sobald ich ihn rufe! Wo ist der Franke?“
    „Ich sage es nicht.“
    „So werde ich ihn finden, und du mußt sterben!“
    „Der Bei wird mich rächen!“
    „Er kann dich nicht rächen. Der Behluwan-Bei hat ihn geschlagen und sechzehn seiner Männer getötet. Und sein Bruder ist mit eurem Mudir, dem Khabir und Schech el Djemali durch diese Wüste hier gefallen. Die Dschehennah wird auch dich verschlingen, wenn du mir nicht gehorchest.“
    „Beweise mir, daß du die Wahrheit sagst; dann will ich tun, was du begehrst.“
    „So komm! Ich werde dir den Würger zeigen.“
    Ich stieg über die Mauerbresche hinaus auf den Rand des Talkessels, grad der Schlucht gegenüber, in welcher sich Emery befand. Der Mann folgte mir zaudernd.
    „Hallo – i – oh!“ rief ich hinab, und sofort trat Emery hervor. „Kommt herauf!“
    „Alles sicher?“
    „El Kasr gehört mir!“
    Jetzt traten auch die Männer der Kaffilah herbei und erhoben ein Freudengeschrei. Es war noch so hell, daß man deutlich sehen konnte, was vorging. Emery ließ die Tiere unter der Aufsicht dreier Männer, unter denen sich auch der lange Hassan befand, am Schott zurück; die andern begaben sich nach dem Treppeneingang.
    „Siehst du, daß ich die Wahrheit sage? Willst du gehorchen?“
    „Ja, Sihdi!“
    „So öffne den Stein vor der Treppe!“
    Er trat, nachdem ich ihm die Waffen abgenommen hatte, in ein Gewölbe, aus welchem er eine aus Dattelfaser gefertigte Fackel brachte, die er anzündete. Dann stieg er in die dunkle Pforte, vor welcher er Wache gestanden hatte, als wir ihn zuerst bemerkten. Die Stufen führten abwärts in einen unterirdischen Raum, der mit verschiedenen Waren bis hoch an die Decke gefüllt war. Hier hatte der Hedjahn-Bei seine Beute aufgestapelt. In der hintersten Ecke lag ein Steinblock auf zwei Rollen, welcher mit Stricken an die Mauer befestigt war.
    „Hier ist die Treppe, Sihdi!“ erklärte der Gefangene.
    Die Stricke waren schuld, daß Emery und ich den Stein nicht hatten bewegen können. Ich öffnete die Schlingen und zog den Block zur Seite. Nach einigen Minuten befand sich die Kaffilah im Kasr. Ich sprach einige erklärende Worte zu Bothwell und wandte mich hierauf an den Gefangenen.
    „Wo ist der Franke?“
    „Muß ich es sagen? Wir haben geschworen, zu schweigen.“
    „Du mußt! Hier steht der Behluwan-Bei, der deine Seele von dir fordert, wenn du nicht gehorchest.“
    „So kommt!“
    In der anderen Ecke des Gewölbes war eine niedrige, tiefe Nische ausgehauen, die statt der Tür von einigen Warenballen verschlossen wurde. Drin lag auf dem harten, bloßen Boden, von Stricken festgehalten, eine menschliche Gestalt.
    „Rénald!“
    Das Licht der Fackel fiel auf die hohe Figur des Engländers.
    „Emery!“ jauchzte es laut auf.
    „Heraus, mein Junge, schnell!“
    Ein paar rasche Messerschnitte lösten die Banden, dann lagen sich die Freunde einander in den Armen.
    Eine halbe Stunde später hatten wir mittels der vorhandenen Fackeln das ganze Schloß durchsucht; nun wurde ein Bote abgesandt, unsere Tiere herbeizuholen, da wir von dem Gefangenen hörten, daß die Gum ihre Kamele zum Schott führen und dann das Kasr durch die Treppe ersteigen werden.
    Der Jubel des befreiten jungen Mannes, der sich vollständig verloren geglaubt hatte, war ein außerordentlicher; sein

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