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18 - Orangen und Datteln

18 - Orangen und Datteln

Titel: 18 - Orangen und Datteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Prozedur, welche jedenfalls nicht selten vorkam, denn wir zählten über zwanzig Schädel.
    „Das Schicksal seiner Gefangenen!“ bemerkte Emery.
    „Vielleicht auch derjenigen seiner Leute, die sich einen Ungehorsam zuschulden kommen ließen. Ich denke, es wird nicht mehr vorkommen!“
    „Richtig, außer wenn es ihm gelingt, uns selbst herabzustürzen.“
    „Das wird ihm nicht gelingen, denn zehn solcher Hedjahn-Beis wiegen keinen einzigen Siouxhäuptling auf. Doch jetzt nun zur Treppe!“
    Wir suchten den Eingang wieder auf.
    Es schien, als habe hier einst ein Erdbeben auf die kompakte Masse des Felsens gewirkt. Der Einschnitt, welchen wir verfolgt hatten, war wohl eine Folge davon, und auch der Aufstieg, in den wir jetzt eindrangen, war jedenfalls nicht künstlich eingehauen, sondern von der Natur gerissen und dann zur Anlegung einer Stufenreihe benützt worden.
    Wir mußten alle Augenblicke gewärtig sein, einem Wasser holenden Räuber zu begegnen, weshalb wir uns nur höchst vorsichtig und unter Vermeidung von allem Geräusch emportasteten. Der Spalt war so eng, daß wir nur hintereinander gehen konnten; bei einer feindlichen Begegnung war also eine gegenseitige Hilfe nicht möglich, doch glich sich das vollständig dadurch wieder aus, daß auch uns gegenüber nur eine einzige Person Platz finden konnte. Übrigens fand eine solche Begegnung gar nicht statt, vielmehr erreichten wir nach längerem und, da die Stufen eine sehr verschiedene Höhe besaßen, sehr beschwerlichem Steigen unbemerkt das Ende der Treppe.
    Eine Tür konnten wir hier, bei der Holzarmut der Wüste, nicht erwarten, dennoch aber fanden wir den Eingang verschlossen. Vor demselben lag ein Felsstück, welches, wie die Untersuchung bewies, mit Hilfe irgendeiner für uns unsichtbaren Vorrichtung nach innen zu bewegt werden konnte. Alle unsere Anstrengung, es zu beseitigen, war vergebens.
    „Was jetzt?“ fragte Bothwell. „Wir müssen hinein.“
    „Oder wir stürmen das Kasr von außen.“
    „Nur für den Notfall. Wir kennen die Besatzung nicht, und obgleich wir schnell geritten sind, könnte der Bei doch bereits mit der Gum eingetroffen sein. List ist der offenen Gewalt vorzuziehen.“
    „So wird auch hier die Anaïa helfen.“
    „Ah! Wieso?“
    „Die Nacht ist noch nicht da, und mein Hedjihn ist schnell. Ich reite auf das Schloß und öffne von innen.“
    „Zu gefährlich, my dear!“
    „Nicht so sehr, als es den Anschein hat. Oder meinst du, daß ich mich fürchten soll?“
    „Pshaw! Aber kannst du wissen, welche Umstände und Hindernisse dir entgegentreten?“
    „Ich habe die Koralle und meine guten Waffen!“
    „Well; aber ich begleite dich!“
    „Das geht nicht. Willst du unsere Leute ohne Führung lassen?“
    „Richtig! Diese Araber sind so unfertig, daß man sich nicht auf sie verlassen kann.“
    „Korndörfer wird mich begleiten.“
    „Gut, so sei es gewagt. Aber ich sage dir, daß ich den Bei mit seinen Schuften in Stücke reiße, wenn sie dich nur unrecht anrühren.“
    „Mir ahnt nichts dergleichen. Bis Mitternacht werde ich mich orientiert haben; dann steigst du mit den Männern auf, und ich lasse euch ein.“
    „Und wenn du es nicht vermagst?“
    „So überlasse ich das weitere ganz deinem Ermessen. Ich kann für diesen Fall nichts vorherbestimmen.“
    „Ich werde bis ein Uhr hier warten; öffnest du nicht, so sind wir eine Stunde später vor dem Schloß, und ich gebe dir durch einen Eulenruf das Zeichen. Kommst du nicht, so nehme ich dann an, daß du dich in Gefahr befindest, und ich werde in das Kasr eindringen. Komm!“
    Wir stiegen wieder abwärts und gelangten wohlbehalten zu unsern Leuten. Als der Tebu hörte, daß ich mit Korndörfer auf das Schloß wolle, bat er, mich begleiten zu dürfen. Ich mußte ihm die Erfüllung dieses Wunsches versagen. Er hatte die Gum verfolgt und war von einigen ihrer Männer gesehen worden; es lag also die Möglichkeit vor, daß er auf El Kasr erkannt würde, was das Gelingen unsere Unternehmens in Frage stellen mußte.
    Ich bestieg mein Bischarin, und Josef nahm ein Mehari von Emery, dann ging es in möglichster Eile den Weg zurück, den wir gekommen waren. An dem einen Ausläufer des Hufeisens angekommen, bogen wir um denselben herum und ritten nun in gerader Richtung auf das Schloß zu.
    Die Sonne tauchte eben hinter den westlichen Horizont hinab, als wir den hohen, offenen Eingang erreichten. Bisher hatten wir trotz unserer sorgfältigen Beobachtung des alten Gemäuers

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