180 - Die Enkel der Astronauten
Smythe drehte eine Runde durch den Raum. »Völlig ausgeschlossen…«
»Christopher-Floyd« war nicht einmal mehr 8,52 Astronomische Einheiten von der Erde entfernt. Er musste also mit unglaublicher Geschwindigkeit ins Sonnensystem hineingerauscht sein. Jetzt betrug seine Geschwindigkeit noch fünfzig Kilometer pro Sekunde – der Saturn hatte ihn abgebremst. Doch die Veränderung des Bahnwinkels konnte man nicht allein mit Saturns Gravitationsfeld erklären. »In voraussichtlich hundertneunundsechzig Tagen wird er seinen sonnennächsten Punkt erreichen«, krähte Smythe. »Und zwar in einer verflucht geringen Distanz zu unserem hübschen blauen Planeten!«
»Er hat seinen Kurs geändert und beschleunigt jetzt… als wäre er ein Raumschiff im Anflug auf die Erde«, hörte Smythe eine Astrophysikerin murmeln.
»Blödsinn!« Er fuhr herum und schoss einen giftigen Blick auf die Frau ab. »Noch so eine grandiose Theorie, und Sie werden zum Kaffeekochen abgestellt!«
***
Red Toad, Australien, 8. Februar 2012
Seit Wochen strömten die Menschen nach Red Toad. Sie kamen aus allen Teilen des Landes. Manche brachten ihren kompletten Hausrat mit. Adam ließ Listen verteilen, auf denen detailliert aufgeführt war, was die Menschen hinunter in die Stadt mitnehmen durften.
Enttäuscht trennten sich die Ankömmlinge von ihrem Hab und Gut. Vor den Zugängen der unterirdischen Stadt türmten sich bizarre Berge aus Kleidern, Spielsachen, Büchern, Möbel und Geschirr.
Der Komet »Christopher-Floyd« raste unaufhaltsam auf die Erde zu. Nach den letzten Berechnungen der NASA würde er noch heute in die Erdatmosphäre eintreten.
Heute hieß: 10:42 Uhr Ostküstenzeit, 16:42 Uhr MEZ, 01:12 Uhr Ortszeit.
Es war längst dunkel geworden. Die meisten der neuen Bewohner von Red Toad zogen sich in die unteren Ebenen der Stadt zurück. Eng aneinander gedrängt saßen sie in den Höhlen und Gängen aus Stein. Im Felsendom wurden Suppe und warme Getränke ausgeteilt. Nach und nach verstummten die Gespräche. Angst machte sich in den Gesichtern der Menschen breit.
Gegen Mitternacht war nur noch Rauschen im Äther zu hören. Die Radiostationen des Kontinents hatten aufgehört zu senden, die Mobilfunknetze funktionierten nicht mehr.
Inga und Joan standen mit Rodriguez und Carlos in der Nähe des erleuchteten Hauptzugangs von Red Toad. Sie starrten in den Nachthimmel. Rodriguez’ Augen leuchteten. Sie hatten Recht! , dachte er ehrfürchtig. Diese verdammten Anangu haben es gewusst!
Carlos konnte es noch immer nicht fassen. Ein Komet mit gigantischem Ausmaß auf Kollisionskurs zur Erde.
Die Folgen seines Einschlags konnte sich kein Mensch wirklich vorstellen. Und was nach der unvorstellbaren Katastrophe von der Welt noch übrig blieb, würde in einem postapokalyptischen Winter erfrieren. Carlos wurde übel.
»Glaubt ihr, sie werden es schaffen?«, fragte Inga mit dünner Stimme. Sie sprach von der NASA. Deren Raumfähren hatten Nuklearsprengköpfe und Trägerraketen zur Internationalen Raumstation hinauf geschafft. Von dort aus wollte man den Kometen beschießen. In Mitteleuropa sollten Jets aufsteigen, um den Angriff zu beobachten.
»Nein.« Mehr sagte Joan nicht. Es war ihr nicht anzusehen, was sie dachte oder fühlte. Ihren Blick in die Ferne gerichtet, stand sie wie ein Denkmal aus Eis zwischen den anderen.
Rodriguez legte den Arm um Inga. Seine andere Hand umklammerte das goldene Kreuz, das er an einer Kette um seinen Hals trug. »Gott stehe uns bei«, flüsterte er.
Sie blickten nach Norden. Nach letzten Meldungen sollte der Komet über Europa in die Atmosphäre eindringen und irgendwo in Sibirien, in der Region des Baikalsees, in die Erdoberfläche einschlagen. Zugleich mit dieser Meldung aber waren Dutzende von Modellrechnungen verbreitet worden, die alle davon ausgingen, dass der Komet nach dem Beschuss mit Interkontinentalraketen in mehrere Teile zerbrechen würde. Niemand wagte zu prognostizieren, in wie viele Teile, und schon gar nicht, wo diese Trümmerstücke einschlagen könnten.
»Jetzt müssten die Atomsprengköpfe ihn erwischt haben.« Carlos hob die Linke und schaltete die Beleuchtung seiner Armbanduhr ein. »Sieben Minuten nach eins. Noch fünf Minuten – falls sie ihn nicht gesprengt haben.«
Nicht weit von ihnen saß Adam auf einem großen Findling. Die Anangu und seine drei ständigen Begleiter hatten sich um den Stein versammelt. Ihre Umrisse verschwammen mit denen des Steins. Die Minuten verstrichen
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