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1801 - Die Herreach

Titel: 1801 - Die Herreach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Eine Weile schaute er den Alten wortlos an.
    „Die Geschichte", drängte er leise, weil er Angst hatte, daß Gaan jetzt eine Stunde lang dasitzen und gar nichts sagen würde.
    „Oh, die Geschichte, ja. Es ist eine Geschichte aus grauer Vorzeit. Wie lange sie schon zurückliegt, das kannst du dir bestimmt nicht vorstellen. Sie stammt aus der Zeit, als man die Herreach noch nicht Herreach nannte, sondern bloß Herrach. Ohne den >e-Laut<, du verstehst?"
    „Ja."
    „Damals war die Sprache einfacher. Eigentlich war damals alles leichter und besser. Es war die Zeit von König Kirk. Du kannst nicht wissen, was das ist, ein König. Früher hatten die Herrach Könige, wenn auch nur für eine kurze Zeit, vielleicht für dreißig Generationen. Ein König war ein Herrach, zu dem alle anderen in der Siedlung Moond aufschauten. Wenn der König einen Befehl gab, so wurde er ausgeführt. König Kirk war noch nicht sehr alt, und er hätte eigentlich nicht sterben sollen. Jedenfalls nicht so früh, wie’s dann passierte ..."
    „Wurde er umgebracht?"
    „Ja, Collie. Allerdings nicht von einem anderen Herrach, sondern von einem seltsamen Wesen. Eine genaue Beschreibung besitzen wir nicht mehr. Das Wesen sah völlig anders aus als du oder ich. Es muß um die vier Meter groß gewesen sein. Mit schwarzer Haut und mit Gliedmaßen, von denen jede eine unglaubliche Kraft besaß.
    Der Schwarze war ein Gnostes, der allerletzte seiner Rasse. Wenn er starb, so wußte er, dann wäre sein Erbgut aus der Welt verschwunden. Du hast von den Gnostes reden hören? Von den pfeifenden Jägern, die vor langer Zeit die Feinde der Herreach waren?"
    „Geschichten eben", antwortete Collie.
    Und Gaan sagte: „Diese Geschichten sind wahr. Die Jäger waren vielleicht zu groß, so daß sie sich nicht mehr ernähren konnten. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß der allerletzte Gnostes aus der Steppe kam und sich der Siedlung Moond näherte.
    Die Wächter an der Mauer fühlten sich durch seinen Anblick wie gelähmt. Natürlich hatten sie die alten Geschichten gehört und für Lüge gehalten, so wie die meisten. Ein Fehler, das erwies sich nun.
    Der letzte Gnostes war ein ruhiges, sehr altes Exemplar, ungefähr wie ich. Nur eben sehr viel stärker und mächtiger, eine lebende Legende. Er schenkte den Wächtern keine Beachtung; er zerbrach die Angeln des Tors und betrat die Siedlung.
    Wer ihn sah, der war froh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Das galt für die Wächter und alle anderen.
    Nun, der Schwarze kannte sich gut zwischen den Hütten von Moond aus. Niemand weiß, wie das möglich war. Und er kannte die Sprache der damaligen Heuach, man hätte ihn beinahe ein gebildetes Wesen nennen können. Ankelvieeg - so hieß der Gnostes! - hatte seine Wildheit längst verloren. Daß er sterben mußte, wußte er, und daß er nirgendwo in der Steppe mehr eine andere Gnostes finden würde, mit der er sich fortpflanzen konnte, ebenso.
    Also muß Ankelvieeg den Entschluß gefaßt haben, die Ära, der er zugehörte, ganz und gar zu beenden.
    Vielleicht die sentimentale Regung eines alternden, hoffnungslosen Wesens, wer weiß?
    In der Mitte der Siedlung lag die Hütte des Königs. Ankelvieeg drang in die Hütte ein. Ich weiß genau, daß er damals lange Zeit mit König Kirk sprach. Die beiden unterhielten sich glänzend, so hieß es, aber keiner weiß,, worüber. Jedenfalls, am Ende der Unterhaltung brachte Ankelvieeg den König der Herrach und alle, die mit ihm in der Hütte lebten, um. Für ihn muß das ein normaler Vorgang gewesen sein. Er hatte wohl schon sehr viele Herrach getötet. Der Schwarze verließ Moond, wanderte in die Steppe hinaus - und legte sich nieder, um ebenfalls zu sterben. Damit endet die Geschichte der Gnostes. Es hat nie wieder einen gegeben.
    Einen einzigen Herrach hatte Ankelvieeg jedoch übersehen. Er war noch ziemlich klein, so wie du, Collie, und er mußte aus seinem Versteck alles ansehen. Die Ära, die der Schwarze hatte beenden wollen, war also nicht wirklich zu Ende."
    Collie fragte: >Dieser kleine Herrach wurde zum neuen König?"
    „Nein. Um einen Anspruch zu erheben, dazu war er zu jung. Und als er das nötige Alter besaß, da wollten die Moond-Herrach einen Arbeiter von den Feldern als König nicht anerkennen. Es hat nie wieder einen Herrach-König gegeben."
    Collie wußte nicht so genau, was die Sache mit dem König sollte; wozu man einen Herrscher überhaupt brauchen konnte. Heutzutage gab’s so etwas in der Siedlung nicht.

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