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181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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hinaus. Von fern meinte sie Wildhunde kläffen zu hören. Sie spähte ins Halbdunkle. Irgendwo hier musste das Treppenhaus nach unten führen. Während sie von Türöffnung zu Türöffnung schlich, drängte sich eine Frage in ihren Kopf, die ihre Angst noch steigerte: Wohin wollte sie denn gehen, wenn ihr die Flucht aus der Turmruine und dem Todesdreieck gelingen sollte? Zurück in die Moscherune etwa? Dorthin, wo sie das Los gezogen hatte, das sie zur Todgeweihten machte? Würde man sie nicht davonjagen? Oder erneut ausliefern, um den Stamm zu retten?
    Hinter ihr grunzte jemand. Sie fuhr herum.
    Hundertfünfzig Schritte hinter ihr stand ein Orangu auf dem Gang. Sein Fell schimmerte rötlich im Mondlicht.
    Ballaya rannte los. Sie blickte sich nicht mehr um, doch sie hörte das Grunzen und Keuchen des Affen hinter sich.
    Die Türöffnungen flogen an ihr vorbei. Der Mond stand mittlerweile so hoch, dass sein Licht den Gang und die angrenzenden Räume taghell erleuchtete. Eisiger Schrecken durchzuckte sie, als ein Schatten über die Wand huschte. Sie stieß einen Schrei aus und blieb stehen. Auch der Schatten bewegte sich nicht mehr – es war ihr eigener.
    Weiter. Ihr Verfolger kam näher. Er stieß ein Grunzen aus; es klang, als würde er fluchen. Da – der Durchgang zum Treppenhaus! Endlich! Ballaya schlüpfte hinein – und zuckte sofort zurück: Das Geräusch von Schritten näherte sich von unten. Nächtliche Heimkehrer der Orangus!
    Zurück auf den Gang! Ihr Verfolger war bis auf sechzig Schritte heran. Ihrem Fluchtreflex, nicht ihrem Verstand gehorchend machte sie abermals kehrt, lief wieder ins Treppenhaus und rannte die Stufen hinauf.
    Nach Luft schnappend stürmte sie weiter in die Höhe – bis nichts mehr ging, bis sie vor den Trümmern der herunter gebrochenen Treppen und Decken stand. Sie lauschte: Von unten näherten sich die Schritte und das Fauchen ihrer Verfolger. Mindestens drei oder vier waren ihr jetzt auf den Fersen. Die Affen dachten nicht daran, ihre Jagdbeute einfach entkommen zu lassen.
    Ballaya lief eine Treppe zurück, huschte aus dem Treppenhaus in einen Gang hinaus und stand vor den beiden Flügeln einer verschlossenen und rostigen Eisentür. Sie packte einen Griffbügel, zerrte und drückte daran. Der Türflügel ließ sich nach innen öffnen, jedoch nicht weiter als eine Handbreite. Der Lärm ihrer Verfolger kam näher.
    Das Mädchen trat zurück und warf sich gegen die Tür, wieder und wieder, bis der Spalt breit genug war.
    Während Ballaya sich hindurchzwängte, sah sie auf der anderen Seite des Ganges die Umrisse ihrer Verfolger im Halbdunkel des Treppenhauses. Sie warf sich von innen gegen den Türflügel, bis er zufiel. Ohne nachzudenken, stürzte sie auf die Knie, griff wahllos unter die Trümmer am Boden, gegen die ihre Füße gestoßen waren, und warf sie vor die Tür. Draußen hörte sie ihre Verfolger aufgeregt kreischen. Schließlich erwischte sie ein langes schweres Metallstück. Sie packte es und sprang auf.
    Rücken, Schultern und Arme taten ihr weh, als sie es hoch hievte und es irgendwie schaffte, das rostige Teil unter den Griffbügel des Türflügels zu schieben und am Boden festzukeilen.
    Schwer atmend sank sie wieder auf die Knie und starrte die rostigen Türflügel an. Die Affen trommelten von der anderen Seite mit den Fäusten dagegen, versuchten auch ein paar Mal, das Türblatt mit den Schultern aufzurammen. Doch bald schon gaben sie auf und zogen grunzend ab.
    Erschöpft sank Ballaya auf den Boden. Grenzenlos war ihre Erleichterung und öffnete sämtliche Schleusen: Sie weinte so hemmungslos und so lange, als wollte sie für den Rest ihres Lebens nichts anderes mehr tun.
    Als sie sich nach ein oder zwei Stunden aufrichtete, stand der Mond direkt über ihr. Sein Licht fiel durch eine gewölbte, teilweise blinde, aber an vielen Stellen zerbrochene Decke. Wieder hörte sie Wildhunde kläffen und heulen. Es klang näher als vorhin noch.
    Ballaya blickte hinter sich: Ein langer Gang führte zu einer zweiten rostigen Flügeltür. Eiskalt wurde ihr Herz, und ihr Atem stockte: Rechts und links vor den Fenstern lag das Mondlicht auf der Fassade des ewigen Turms. Sie kniete in der Verbindungsbrücke zwischen den beiden Türmen.
    ***
    Keiner der drei Schiffbrüchigen sprach es aus, aber das Verhalten der Moscherunen ließ an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig: Sie waren Gefangene. Immer hielten sich mindestens sechs Bewaffnete in ihrer Nähe auf, niemals ließ man sie

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