Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
und guten Willen zu beweisen. Hört also den Befehl des Kometenfürsten: Morgen bei Sonnenaufgang hängt die Jungfrau wieder am Schutzpfandstein. Wenn nicht, holen wir uns alle eure Jungfrauen und Knaben und geben dem Rest des Stammes, was wir diesem da gegeben haben.« Er deutete auf Charlondos Schädel. »Und damit ihr mich richtig versteht, wiederhole ich es noch einmal: Nicht irgendeine, sondern dieselbe Jungfrau, die geflohen ist, will der Kometenfürst bei Sonnenaufgang sehen. Lasst euch nicht zu einer Täuschung hinreißen, unsere Männer haben sie gesehen und würden sie wieder erkennen.« Die Boten machten kehrt und verließen die Moscherunenhalle.
    Ein paar weinende Frauen standen auf und schlichen zum Scheiko; Charlondos Mutter, Schwestern und Tanten. Schluchzend und wehklagend knieten sie um das abgeschlagene Haupt auf dem Boden. Die Kundschafter liefen aus der Halle, um den Abzug der Turmherrenboten zu beobachten. Halil beugte sich zu Rulfan hinüber und flüsterte: »Jetzt bleiben ihnen nur noch zwei Möglichkeiten: die Frau suchen oder kämpfen. Sie müssen sich entscheiden.«
    »Falsch.« Rulfan deutete auf die Ratsversammlung.
    Dort war es plötzlich seltsam still geworden. Die Blicke aller hatten sich auf Sayona gerichtet. »Die Zwillingsschwester der Geflohenen«, flüsterte Rulfan.
    Keiner der Moscherunen sagte ein Wort, man hörte nur das Jammern der Sippe Charlondos, die sich inzwischen vollzählig beim Scheiko und dem abgeschlagenen Kopf des jungen Fischers versammelt hatte.
    »Wir müssen Ballaya suchen«, krächzte die Älteste.
    »Aber wir werden sie nicht finden. Jedenfalls nicht lebend. Und dann gnade uns der Gott!«
    Sayona stand auf. »Es hat keinen Sinn, meine Schwester suchen zu wollen. Wir werden sie nicht finden, jedenfalls nicht bis zum Sonnenaufgang. Doch ich werde mich freiwillig an den Stein fesseln lassen. Unter einer Bedingung: Ihr kämpft, sobald sie auftauchen, um mich zu holen. Lasst euch eine Kriegslist einfallen.« Sie setzte sich.
    Wieder Stille. Der Scheiko erhob sich und ging zurück zur Ratsversammlung. Die Männer und Frauen begannen zu tuscheln und zu murmeln. Verstohlene, wütende oder bewundernde Blicke trafen Sayona.
    »Verrückt, die Kleine«, zischte Sulbar.
    »Die ist gut!« Halils Augen glühten vor Bewunderung.
    »Die hat Mut!«
    Plötzlich stürmten die Kundschafter zurück in die Halle. »Der Gott!«, riefen sie. »Der Gott ist gekommen!«
    Zunächst ernteten sie weiter nichts als ungläubige Blicke.
    Doch die Männer winkten die Leute ihres Stammes zu sich an die Tür. »Kommt doch heraus und seht selbst!«
    Die Männer liefen wieder nach draußen, blieben auf der Außentreppe stehen, winkten und starrten dabei in den Himmel.
    Rulfan sprang auf und lief zu ihnen ins Freie. Das war wie ein Zeichen – auf einmal drängten sie alle zum Ausgang; alle bis auf Charlondos Mutter: Die barg das blutige Haupt ihres Sohnes in ihrem Gewand, lehnte gegen eine Säule und weinte laut. Zwei ihrer Schwestern versuchten sie zu trösten.
    Vor der Moscherunenhalle blickte Rulfan in den Vormittagshimmel. Er traute seinen Augen nicht: Hoch über der Ruinenstadt schwebte ein seltsames Gebilde: Es war blau und rot und hatte die Form einer platt gedrückten Kugel. An der Unterseite war an Tauen eine Art Kasten mit Fenstern befestigt, braun und von ovalem Grundriss. An der einen Schmalseite des Kastens hing ein klobiges Gebilde, das Rulfan auf die Entfernung nicht genau erkennen konnte, auf der anderen etwas, das er als Propeller erkannte. Wie hoch das Gebilde flog, ob fünfhundert Meter oder gar tausend, vermochte er nicht zu sagen.
    »Der Gott«, flüsterte der Scheiko neben ihm.
    »Wahrhaftig – es zeigt sich uns der Gott…«
    »Wenn das kein gutes Omen ist, was ist dann ein gutes Omen?«, rief Halil.
    ***
    »Die Stadt muss einmal sehr groß gewesen sein.«
    Victorius lehnte am offenen Fenster der Gondel. Durch sein Fernrohr beobachtete er den ausgedehnten Wald, die Ruinen, die aus ihm ragten, und die Lichtungen, die sich hier und da zwischen den Wäldern ausbreiteten.
    Nur hin und wieder erfasste sein Fernrohr Menschen und Tiere. So wie jetzt, als ein ausgedehnter Gebäudekomplex mit vielen Ecktürmchen und einem hohen, runden Hauptturm unter ihm vorbei glitt.
    »Sie schauen zu uns herauf, haben wohl noch nie ein Luftschiff gesehen. Scheinen ziemlich primitive Leute zu sein, Barbaren, wenn du verstehst, was ich meine…« Er zog die Brauen zusammen und beugte sich noch

Weitere Kostenlose Bücher