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181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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war vor Mitleid: »Du armes Kind! Oh, du armes Kind…«
    ***
    Wer nicht auf Kriegs- oder Jagdzug war und sonst nichts Wichtigeres im Turm zu tun hatte, stand hinter dem Kometenfürsten und seinen beiden Stellvertretern und starrte in den Himmel. Seit die Sonne ihren Zenit überschritten hatte, schwebte das Himmelsboot über dem ewigen Turm. Reezar, sein Bruder Karzyan und sein Sohn Belzary wichen schon seit Stunden nicht mehr von der Holzbrüstung vor der Fassadenlücke. Unablässig spähten sie durch ihre Fernrohre und beobachteten das Himmelsboot. Ihre Kämpfer drängten sich hinter ihnen und zankten um die restlichen beiden Fernrohre.
    »Schwarz«, sagte Karzyan. »Er ist eindeutig schwarz. Und das soll der Gott sein? Ein schwarzer Mann in einem Himmelsboot?« Er schüttelte den Kopf und machte eine missmutige Miene.
    »Wahrscheinlich ist es eher ein Bote des Gottes«, sagte Reezar. »Ja, es wird ein Bote des Gottes sein, und er wird eine Botschaft für uns haben.« Er wählte seine Worte mit Bedacht. »So wird es sein!«
    Die Idee, in diesem Himmelboot könnte der Gott selbst zurückkehren, hatte etwas für sich. Dennoch gefiel sie dem Ersten Turmherren nicht. Sie erschreckte ihn sogar, denn kehrte der Gott zurück, war das Ende des ewigen Turmes gekommen, und war das Ende des ewigen Turmes gekommen, drohte auch das Ende der Turmherrenmacht.
    »Wenn er eine Botschaft für uns hat, warum kreist er dann über der Brücke zum Verbotenen Turm, statt uns die Botschaft des Gottes zu überbringen?«, fragte Belzary, der Sohn des Kometenfürsten.
    »Ein Gottesbote überbringt seine Botschaft, wenn es ihm gefällt, und nicht, wann wir es für richtig halten«, sagte Karzyan. »Wir müssen uns einfach gedulden.« Wie alle anderen Turmherren ging auch er wie selbstverständlich davon aus, dass in der ganzen Ruinenstadt, ja auf der ganzen Halbinsel einzig und allein sie als Adressaten einer Gottesbotschaft in Frage kamen.
    »Vielleicht ist es ja auch nur ein schwarzer Mann, der ein Luftboot gebaut hat und zufällig über Ka'El fliegt«, sagte Belzary.
    »Es gibt keine Zufälle«, sagte Karzyan tadelnd. »Und außerdem fliegt er nicht über Ka'El, sondern er kreist über dem ewigen Turm.«
    »Er kreist über der Brücke zum Verbotenen Turm«, korrigierte ihn sein Neffe Belzary.
    »Was redest du, Sohn!«, sagte Reezar scharf.
    »Menschen können keine Himmelboote bauen! Wie sollte so etwas funktionieren? Menschen können nicht fliegen!«
    »Die Alten konnten fliegen«, widersprach Belzary.
    »Die Welt der Alten ist untergegangen!«, blaffte Reezar.
    »Ich sage, es ist ein Gottesbote, basta!«
    »Richtig, ein Gottesbote!« Karzyan nickte.
    Belzary zog es vor zu schweigen. Er wollte den Streit nicht auf die Spitze treiben. Sein Vater und sein Onkel waren leicht reizbar seit gestern. Erst die Flucht der Jungfrau, dann die Nachricht von den drei Fremden in der Moscherune, und jetzt noch das seltsame Gebilde am Himmel über dem Turm – all das beunruhigte sie. Auch er selbst spürte die Spannung, die seit dem vorletzten Sonnenuntergang in der Luft lag. Alle spürten sie: Die Kämpfer aßen und scherzten weniger als sonst, die Frauen warfen einander verstohlene Blicke zu und waren seltsam aufgekratzt, und die Wildhunde in ihren Ställen hatten die ganze Nacht gekläfft, und wenn man sie zur Schlachtung führte, bissen sie um sich und sträubten sich heftiger als sonst.
    Schritte näherten sich aus dem Treppenhaus. Karzyan setzte das Fernrohr ab und drehte sich um. »Die Kundschafter«, sagte er.
    Drei Kämpfer betraten den großen Raum. Im Vorübergehen rissen sie Fleischstücke von einem der Braten über den Feuern ab und nahmen Trinkbecher entgegen, die drei Frauen ihnen reichten. Die Männer an der Mauerlücke bildeten eine Gasse, sodass die Kundschafter zur Balustrade und zu den Führern der Turmherren laufen konnten.
    »Die Moscherunen sind aufgebrochen«, sagte ihr Anführer. »Dreißig Mann, leicht bewaffnet. Alles geschieht so, wie du es befohlen hast, Kometenfürst.«
    »Und das Mädchen?« Karzyan schnitt eine skeptische Miene.
    »Das Mädchen ist natürlich dabei. Sie haben es gefunden.«
    Reezar runzelte ungläubig die Stirn. »So schnell?« Der Anführer der Kundschafter nickte.
    »Seid ihr sicher, dass es dieselbe Jungfrau ist?« Auch Belzary war skeptisch. Wenn es nach ihm gegangen wäre, würde heute der Rauch aus der Asche der Moscherune steigen und die Schreie der gefangenen Mädchen den ewigen Turm

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