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181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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hatten keinen Plan. Die Moscherunen waren nicht gewohnt, Krieg zu führen. Deswegen machte Rulfan sich auch nichts vor: Die Männer des Stammes waren der eigentliche Schwachpunkt seines Planes.
    »Und selbst wenn sie unsere List durchschauen – der Gott wird uns beistehen«, sagte Sayona leise. Rulfan dachte einen Augenblick nach. Er beschloss, ihr die Wahrheit zuzumuten. War er das einem Menschen nicht schuldig, der vielleicht nur noch ein paar Stunden zu leben hatte? »Es war kein Gott, Sayona«, sagte er leise.
    »Kein Gott?« Sie sah ihn an. Der Schrecken flackerte in ihren Augen. »Aber er flog doch am Himmel! Kein Mensch kann so etwas!«
    Der Mann aus Euree legte den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete ihr, leiser zu sprechen. Die anderen schöpften ihren Mut aus der Illusion, ein Gott würde ihnen beistehen, und Rulfan wollte daran vorläufig nichts ändern. »Hast du je darüber nachgedacht, warum der Rauch aus dem Feuer nach oben steigt und nicht über den Flammen liegen bleibt?«
    Sayona schüttelte den Kopf. »Er steigt mit der vom Feuer erwärmten Luft hinauf«, erklärte Rulfan. »Warme Luft ist leichter als kalte, deswegen steigt sie nach oben. Fülle warme Luft in eine genügend große Blase aus dichtem Stoff, und sie wird steigen.«
    Sayona schluckte. »Du meinst, kein Gott flog heute Morgen über die Moscherune hinweg, sondern ein Mensch, der…« Sie verstummte.
    »… der dieses Prinzip beherrscht, richtig«, sagte Rulfan.
    Natürlich hatte dieses Luftschiff seine Neugier geweckt.
    Wenn seine Sinne ihn nicht getäuscht hatten, war Dampf aus einer Öffnung an der Außenwand der kleinen Gondel unter dem Schiffsrumpf ausgetreten. Auch eine Art Propeller glaubte er gesehen zu haben. Gern hätte er mehr erfahren über diesen Fremden, der das Leichter-als-Luft-Prinzip beherrschte. Stammte er von dieser Halbinsel? Gab es etwa eine hoch entwickelte Kultur in erreichbarer Nähe? Und wohin war der Pilot dieses Fluggeräts geflogen?
    Chira tauchte neben ihm auf. Sie trug einen bleichen Knochen zwischen den Fängen. Rulfan bückte sich und nahm ihn ihr ab. Aufmerksam betrachtete er die Zeichen, die jemand in ihn eingekerbt hatte. »Sechs Späher der Turmherren haben unseren Aufbruch beobachtet«, sagte er leise. »Drei von ihnen sind ins Todesdreieck zurückgekehrt und Richtung Turm gelaufen. Vermutlich, um dem Kometenfürsten unsere Zahl und unsere Bewaffnung zu melden. Die anderen drei schleichen irgendwo rechts neben uns her. Ruulay und die Männer deines Stammes sind vor zwei Stunden aufgebrochen.«
    Er wies auf den Knochen. »Honbur und deine Brüder sind in unserer Nähe, wie du siehst.«
    »Die Späher werden Reezar auch melden, dass du und deine Gefährten uns begleiten«, sagte Sayona. Der Mann aus Euree merkte, dass ihr Atem sich beschleunigte. Die junge Frau stand unter Hochspannung.
    »Das macht nichts.« Rulfan reichte den Knochen zurück an Chira. Die schnappte sich ihn, fiel ein Stück zurück und überließ ihn einer der Gestalten in der Eskorte der Moscherunen. Auch die las die Zeichen, und bald hörte Rulfan es hinter sich flüstern und tuscheln. »Ich setze mich erst ab, wenn die Nacht genügend Schutz bietet«, sagte er.
    Nach zwei Stunden erreichten sie die Grenze des Todesdreiecks. Flüsterstimmen hinter ihm lotsten Rulfan und Sayona zum vereinbarten Ort, ein ausgedehnter Schutthaufen rechts und links eines Baches. Kleine Bäume, hohes Gras und blühendes Gestrüpp bedeckten ihn. Hier würden sie rasten, bis die Sonne untergegangen war.
    Irgendjemand gab das Zeichen, doch keiner setzte sich.
    Alle starrten sie zum etwa dreihundert Schritte entfernten Waldrand und über ihn und die Baumwipfel hinweg zu den hohen Ruinen, die weit entfernt aus dem Waldgebiet ragten. Zum ersten Mal nahm Rulfan sie bewusst wahr – die Hochhausruine, in der nach Auskunft der Moscherunen Tausende von Affen hausten, und das Turmtrio etliche Kilometer dahinter. Von dem mittleren Turm aus, dem unzerstörten, übten die Kometenfürsten seit vielen Generationen ihre blutige Macht aus. Doch nicht der ewige Turm war es, dessen Anblick die dreißig Moscherunen und jetzt auch Rulfan fesselte, sondern das Gebilde, das über dem Zwillingsturm schwebte. Es war auf die Entfernung unschwer zu erkennen.
    »Es ist der Gott«, flüsterte irgendjemand. Die Nachricht breitete sich rasch unter den Leuten aus. Sie lagerten am Bach, tranken und aßen. Ihre Zuversicht stieg, und Rulfan musste sie streng ermahnen, weil sie

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