181 - Die Hölleneiche
vor dir. Bringe es in Sicherheit.«
»Du willst, daß ich Barrygate ohne dich verlasse? Das kommt überhaupt nicht in Frage, Großvater. Ich lasse dich doch jetzt, wo du mich brauchst, nicht im Stich.«
»Kind«, sagte er eindringlich, »ich bin nicht so wichtig.«
»Mir schon!« erwiderte Janice energisch, schob einen Hocker vor den Sessel und forderte den alten Mann auf, sein Bein daraufzulegen.
***
»Noch ein Ei, Tony?« fragte Vicky.
»Nein, vielen Dank«, antwortete ich.
»Hast du dir das auch gut überlegt?« fragte Mr. Silver grinsend. »Wirkt sich der vermehrte Genuß von Eiern zum Frühstück nicht auf die Potenz aus?«
»Erstens - nein. Zweitens sind viele Eierchen gar nicht so gesund, wie man früher einmal meinte. Drittens bin ich nicht gezwungen, irgendwelche potenzfördernde Maßnahmen zu ergreifen. Und viertens - wohin mit der Kraft, wenn Vicky nach Barrygate fährt?«
»Da ist was dran«, mußte der Ex-Dämon zugeben. »Hört mal, ihr beiden, was reißen denn da für Unsitten ein? Der eine verreist ohne den anderen?«
»Tut deine Freundin das nicht auch?« erwiderte ich.
»Das ist was anderes«, wehrte Mr. Silver ab. »Roxane ist in einer wichtigen Mission unterwegs.«
Das stimmte.
Roxane, die Hexe aus dem Jenseits, die die Fähigkeit besaß, zwischen den Dimensionen hin und her zu pendeln, sollte in Erfahrung bringen, wo sich Reypees Grab befand.
Im Leichentuch des Gottähnlichen sollten sich große weißmagische Kräfte befinden, und die wollten wir uns zunutze machen. Shavenaar, das lebende Höllenschwert - in einer Krone auf dem Klingenrücken schlug ein Herz -, wäre gern sein eigener Herr gewesen.
Das war uns natürlich nicht recht, deshalb wollten wir die starke Waffe, die einst für Loxagon, den Teufelssohn, auf dem Amboß des Grauens geschmiedet wurde, stärker an uns binden und sie gleichzeitig unbrauchbar für unsere schwarzen Feinde machen.
Aber das schafften wir nur mit Reypees weißer Kraft.
Mr. Silver hatte die Lust am Stänkern verloren.
Er seufzte. »Ich vermisse Roxane.«
»Du hast ja uns«, tröstete ihn Vicky.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das ist nicht ganz dasselbe. Du kannst ihm nicht geben, was er von Roxane bekommt, und ich schon gar nicht.«
Vicky trug das Geschirr in die Küche, verstaute es in der Spülmaschine und schaltete sie ein.
»Wie werdet ihr das Wochenende verbringen?« erkundigte sie sich.
Ich zuckte mit den Schultern. »Mr. Silver wird mir - wie immer - auf die Nerven gehen. Die restliche Zeit werde ich dazu verwenden, mich davon zu erholen.«
Draußen wurde gehupt.
»Das ist Lisa!« sagte Vicky und holte ihre Sporttasche, in der sich alles befand, was sie fürs Wochenende brauchte.
Lisa Whitfield hatte in ihrer kleinen Stadtwohnung übernachtet und holte Vicky nun ab.
Vicky küßte mich zum Abschied. »Mr. Silver vermißt Roxane. Hoffentlich tust du das aus«, sagte sie.
»Natürlich vermisse ich Roxane ebenfalls«, gab ich grinsend zurück.
Vicky boxte mich leicht in die Magengrube. »Du bist ein Scheusal, aber ich liebe dich trotzdem.«
»Oder gerade deswegen. Viel Spaß und ein erholsames Wochenende!«
Ich sollte mich selten derart geirrt haben…
***
Janice bandagierte den Knöchel ihres Großvaters.
»Kind, möchtest du nicht doch lieber…«
»Schluß damit, Großvater!« schnitt sie ihm streng das Wort ab. »Ich will nichts mehr davon hören! Wir gehören zusammen! Ich lasse dich nicht einfach hier sitzen!«
»Du weißt nicht, was ich dort draußen erlebt habe. Das kann man nicht mit Worten schildern. Es war schrecklich. In der Krone des Höllenbaums tobte ein furchtbares Gewitter. Nur dort. Das Böse wollte mich mit Blitzen erschlagen…«
»Es ist ihm nicht gelungen.«
»Weil das Kreuz mich schützte.«
»Das wird es auch weiterhin tun«, sagte Janice zuversichtlich. Sie hatte über das nasse Tuch ein trockenes gewickelt.
Kingsley streichelte liebevoll und dankbar ihre Wange. »Du bist ein gutes Kind.«
Sie lächelte. »Wo möchtest du liegen? Hier auf dem Sofa oder oben in deinem Bett?«
»Auf keinen Fall oben. Und ich möchte überhaupt nicht liegen.«
»Was denn sonst? Willst du auf einem Bein durchs Haus hüpfen und dir dabei auch noch den zweiten Knöchel verstauchen?«
Janice war ihm beim Aufstehen behilflich. Sie bettete ihn aufs Sofa und holte ein paar Kissen, um ihm zu einer bequemen Lage zu verhelfen.
»Du bist bald wieder wie neu«, versprach sie ihm. »Möchtest du irgend etwas? Hast
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