1810 - Gier auf Leben
mich auf die Aufgabe konzentrieren, die vor uns lag. Eine Fahrt zu Justine Cavallo war kein Kinderspiel.
Ab und zu warf ich Julie Robbins einen Blick zu. Sie hockte noch immer auf dem Bett, nur waren ihre Hände jetzt mit meinen Handschellen auf dem Rücken gefesselt.
Ab und zu schaute sie mich an. Hätte man Hass sichtbar machen können, wären ihr Flammen aus den Augen gefaucht.
»Und ich hoffe, dass du uns nicht auf den Arm nehmen willst. Für diese Art von Scherzen habe ich nichts übrig.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Ich weiß es nicht, aber euch traue ich alles zu.«
»Euch?«
»Ja. Oder bist du allein?«
Sie lachte nur. Eine Antwort bekam ich nicht. Schade, denn ich hatte sie reinlegen wollen.
Suko würde kommen, dann fühlte ich mich wohler, wenn wir uns zu zweit auf den Weg machten.
Inzwischen kannte ich auch den Hausmeister. Er war nach all dem Wirbel informiert worden und hatte natürlich persönlich vorbeischauen wollen. Wir hatten uns kurz unterhalten, und er war froh gewesen, dass ich von der Polizei war und er mit der ganzen Sache nichts weiter zu tun hatte.
Noch schneller als Suko waren die Kollegen vom nächsten Revier. Sie brachten die tote Diana Dobbs in einer Zinkwanne weg. Ihrem Leiter sagte ich, dass sie von mir einen schriftlichen Bericht erhalten würden.
Nachdem sie abgezogen waren, hatte sich auch der Hausmeister zurückgezogen, um dafür zu sorgen, dass die eingetretene Tür zu Bruce Garners Apartment erst einmal notdürftig repariert wurde. Johnny war bereits gefahren, nur Bruce Garner stand noch an meiner Seite, neben Julie Robbins.
Von Garner war ich über die Vorgeschichte informiert worden und wusste jetzt Bescheid.
Natürlich machte sich Garner Gedanken oder auch Sorgen, die wollte ich ihm nehmen.
»Wir haben unsere Freundin zur Untätigkeit verdammt. Sie hockt auf dem Bett und wird sich hüten, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Die Ouvertüre ist vorbei.«
»Und was kommt jetzt?«, fragte Garner.
»Das Hauptstück.«
»Und da mischen Sie mit?«
»Ja, als hätten wir es selbst geschrieben. Gewisse Dinge muss man eben selbst regeln.«
»Gehören Vampire auch dazu?«
»Ja, Bruce, das ist so.«
»Komisch.«
»Was ist komisch?«
»Bisher habe ich nie an Vampire geglaubt oder habe mir über sie Gedanken gemacht.«
»Sehen Sie das jetzt anders?«
»Welch eine Frage. Das muss ich doch.« Er starrte Julie Robbins für einen Moment an. »Sie sieht gar nicht aus wie ein Blutsauger. Die habe ich in den Filmen ganz anders gesehen. Da ist mein ganzes Weltbild durcheinander gekommen. Das muss ich erst mal wieder ordnen.«
»Ich hoffe für Sie, dass Sie mit Vampiren nichts mehr zu tun bekommen.«
Er nickte. »Als ich unter der Tür lag, da habe ich gedacht, dass es vorbei ist mit mir.«
»Nun ja, das war es nicht.«
»Ich weiß.« Er schaute mich skeptisch an. »Meinen Sie denn, dass ich vor den Blutsaugern Ruhe habe?«
»Ich denke schon.«
»Was macht Sie so sicher?«
»Die Erfahrung«, sagte ich.
»Okay.« Er schüttelte den Kopf und winkte ab.
Ich warf der Untoten wieder einen Blick zu, der nicht erwidert wurde. Julie Robbins hatte wohl andere Sorgen. Hin und wieder stieß sie einen Fluch aus, war ansonsten aber ruhig.
Ich wartete auf Suko.
Dann endlich kam er. Die Wohnungstür war nicht mehr vorhanden, und so hatte Suko freien Eintritt. Er ließ sich auf einem Stuhl nieder.
»Was ist mit der Tür, John?«
»Die muss erneuert werden.«
»Wo steckt Johnny?«
»Ich denke, der ist schon wieder zu Hause.«
»Sehr gut.« Suko wandte sich an Julie Robbins. »Aha, so sieht also unser Trumpf aus.«
»Ja«, sagte ich, »sie hat es versucht und nicht geschafft. Wir alle konnten unser Blut behalten, und jetzt werden wir zur Quelle fahren.«
»Zur Cavallo?«
»Kann sein.«
Suko nickte. »Ich freue mich schon auf sie. Mal sehen, welchen Tanz wir dann aufführen.«
Nach diesen Worten fing die Untote an zu lachen …
***
Zehn Minuten später lachte sie nicht mehr. Da hatten wir sie in den Rover gedrückt. Sie hockte auf dem Rücksitz, und ein Ring der Handschelle umklammerte den Haltegriff. Auch als kräftige Blutsaugerin würde sie ein Problem haben, freizukommen.
Sie hatte uns gesagt, wie wir fahren mussten. Weg aus London, raus aus der City. Nach Südwesten in eine ländliche Umgebung.
Hier war ich lange nicht mehr gewesen. Ich las die Namen von Orten, die ich schon längst vergessen hatte, und als ein Schild auf den Ort Byfleet hinwies, da meldete
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