Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
euch ergangen? Wie habt ihr gelebt?« schallten die Fragen durcheinander, ohne daß die Antwort abgewartet wurde, weil jeder sie ja lebendig vor sich sah. »Tausend herzliche Grüße von den Ihrigen,« waren die ersten Worte, welche Rasinski, nachdem die stürmisch freudige Begrüßung vorüber war, an Ludwig richtete; »zwar kam meine Abreise so überraschend, daß nicht Zeit vorhanden war, mir ausführlichere Briefe mitzugeben, indessen erhalten Sie doch einige Zeilen und mit dem nächsten Posttage mehr.«
    Der Gruß von den Seinigen, dieser erste Anknüpfungspunkt an eine glücklichere Vergangenheit, mußte eine wehmütige Stimmung in Ludwig erzeugen. Aber mit der Wehmut zugleich erfüllte ihn ein sanftes Gefühl der Freude, daß es noch in einem fernen Hintergrunde liebe Wesen gab, die den dunkeln Pfad seines Lebens mit sorgender Teilnahme verfolgten, deren treue Wünsche und Gebete ihn als Schutzengel umschwebten. Er dankte daher dem Überbringer so lieber Botschaft auf das innigste und bat um die Aushändigung dessen, was ihm bestimmt war.
    Bernhard, welcher stets der Umsichtigste war und sich nicht leicht von einem Gefühl so hinreißen ließ, daß er die scharf umblickende Besonnenheit außer acht gelassen hätte, wurde plötzlich durch den Gedanken beunruhigt, daß Rasinski ihren angenommenen Namen noch nicht kenne und daher leicht eine verratende Unvorsichtigkeit begehen könne. Schnell besonnen ging er daher voraus und sandte einen Bedienten hinein, durch welchen er Rasinski ins Vorzimmer rufen ließ. Dieser war erstaunt, denn er wußte nicht, wer ihn an einem Orte, wo er erst seit einer Viertelstunde angekommen war, in dienstlichen Angelegenheiten zu sprechen verlangen könne. Er sandte daher Boleslaw; diesem sagte Bernhard, um was es sich handle. Als wäre die Sache dringend dienstlich, berichtete Boleslaw an Rasinski, beide gingen miteinander hinaus, und Bernhard setzte ihnen nun das ganze Verhältnis deutlicher auseinander.
    »Vortrefflich, mein junger Freund,« sprach Rasinski, »ihr habt Anlage zum Parteigänger, denn ihr haltet Auge und Ohr offen. Das soll mir ein gutes Zeichen sein, Graf Lomond, ihr könnt auf Beförderung Anspruch machen. Überdies lobe ich's, daß ihr euch den Grafentitel beigelegt habt, denn wie sehr auch das rauhe Würfelspiel der Zeit Altes und Neues im Becher durcheinander geschüttelt hat, Blei senkt sich doch immer in die Tiefe und Öl schwimmt obenauf. So werden Rang und Reichtum selbst dann noch gelten, wenn auch das Russische Reich zu einer atheniensischen Republik und Madrid oder Neapel zu einem zweiten Sparta geworden sind. Aus euch, Freund, kann etwas werden, und Ludwig mag wollen oder nicht, er muß einem Soren einen Grafen oder Freiherrn vorhängen, wenn es auch nur der bequemern Anrede wegen geschähe.« Sie gingen hierauf wieder hinein.
    »Nun, das muß wahr sein,« redete die Gräfin die Eintretenden an, »euere Dienstgeschäfte scheinen dringend, da ihr sie gleich im ersten Augenblicke der Ankunft vornehmt.«
    »Du weißt,« antwortete Rasinski, »der Soldat ist nur ein Rad in der Maschine, das sich nach dem Gesetz des Ganzen drehen muß, wenn dieses nicht stocken oder der widerspenstige Teil zerschmettert werden soll. Indessen ist nun hoffentlich für heute alles abgetan, und wir gehören ganz dir an.« Er setzte sich mit diesen Worten zwanglos zu der Schwester nieder und nahm freundlich kosend ihre Hand. Sie betrachtete ihn mit einer gewissen liebenden Sorglichkeit, als wolle sie untersuchen, ob es auch noch der alte geliebte Bruder sei. »Ich weiß nicht,« sprach sie nach einigen Augenblicken, »aber du scheinst mir ein wenig verändert, Stephan; hier auf der Stirn nehme ich einen Zug wahr, der fast wie eine düstere Falte des Trübsinns aussieht. Wahrlich, Bruder, deine Stirn ist nicht mehr der freie, heitere Himmel, dessen Anblick sonst so stärkend war.«
    »Das Alter, Johanna, übt seine Rechte an mir«, erwiderte er lächelnd; doch ließ sich der tiefe Ernst seiner Züge durch eine so leichte Hülle der Heiterkeit nicht verschleiern.
    »Es ist kein Zug des Alters, es ist einer der Sorge oder des Kummers. Teile der Schwester die Hälfte deiner Bürde mit, sonst trägt sie die doppelte, ohne daß du es zu hindern vermagst, denn du weißt, jede Ungewißheit vergrößert Gefahren und Sorgen.«
    Das Gespräch wurde zwischen beiden geführt, ohne daß die Gesellschaft darauf aufmerksam war; deshalb wiederholte die Gräfin ihre Bitte um Mitteilung dringender,

Weitere Kostenlose Bücher