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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Korps zu beschleunigen; täglich fanden daher anstrengende Dienstübungen statt; man exerzierte zu Fuß und zu Pferde; es gab Wachtdienste auszuführen, der Felddienst mußte geübt werden, kurz weder Offiziere noch Soldaten behielten Zeit übrig, sich den Zerstreuungen des Lebens zu widmen. Der Kaiser wurde von einem Tage zum andern erwartet, und Rasinski wollte demselben wenigstens ein einigermaßen organisiertes Korps vorführen können. Die mancherlei zarten und anziehenden Verhältnisse wurden daher durch die strenge Hand des Lebens fast zerrissen. In betreff der heißen Wünsche Jaromirs hatte Rasinski diesem zwar sein vorläufiges Versprechen gegeben, und die Liebenden waren überglücklich; doch hielt er es für unumgänglich, zuvor einem ältern Oheim Lodoiskas zu schreiben und dessen Einwilligung nachzusuchen. So lange mußten die Liebenden ihr Glück wiederum als ein Geheimnis bewahren und sich so entfernt voneinander halten, als die Sitte es gebot. Bernhard und Ludwig waren fast stets im Dienst; kaum daß dieser Zeit genug übrig behielt, in einigen einsam gewonnenen Viertelstunden einen Brief an die Seinigen zu schreiben, wodurch er auf die mündliche Mitteilung und die Gabe, welche ihm Rasinski mitgebracht hatte, antwortete. Daß unter diesen Umständen auch für Bernhard nicht daran zu denken war, seine Beobachtungen der verführerischen Alisette fortzusetzen oder Lodoiskas Bild zu malen, ist von selbst einleuchtend.
    Eines Abends kam Rasinski ungewöhnlich aufgeregt nach Hause und trat mit den Worten in den Saal, wo Jaromir, die Gräfin und Lodoiska beisammensaßen: »Unser Schicksal ist entschieden. Der Kaiser ist am 29. Mai von Dresden abgereist, wird sich einige Tage in Posen aufhalten und geht dann mutmaßlich, ohne Warschau zu berühren, nach Thorn. Wir haben Befehl erhalten, morgen auszurücken und die Straße nach Kowno einzuschlagen. Ein Tag ist also nur noch der unserige, den wollen wir hier im häuslichen Kreise zubringen. Heute kann ich noch Bruder und Freund sein; morgen bin ich nichts mehr als Soldat« Sein Auge leuchtete feurig bei diesen Worten und erhöhte den Adel des milden Ernstes in seinen Zügen. Doch auf die Frauen machte die Botschaft, welche das Herz der Männer, die der Unentschiedenheit bereits müde zu werden anfingen, mit Freude erfüllte, einen betrübenden Eindruck. Lodoiska erbleichte und zitterte wie ein gescheuchtes Reh; in den Zügen der Gräfin drückte sich wenigstens eine sorgliche Bewegung aus. »Also wirklich schon so bald?« fragte sie, indem sie aufstand und dem Bruder entgegentrat.
    »Der Krieg,« fuhr Rasinski fort, »scheint nunmehr unwiderruflich erklärt. Alle Unterhandlungen, welche zuletzt von Narbonne gepflogen wurden, sind gescheitert. Man sagt, es sei insbesondere das Schicksal unsers Vaterlandes, welches den hartnäckigen Apfel des Zwistes zwischen die beiden Weltbeherrscher wirft. Napoleon will uns als freie, selbständige Nation anerkannt wissen; doch Rußland ist nicht gewohnt, den Raub, den es in den blutigen Tatzen hält, loszulassen. Es zeigt die grimmigen Zähne. Laßt sehen, ob der Herkules, vor dessen gehobener Keule Europa bebt, den Kampf mit diesem Ungeheuer siegreich beenden wird!«
    Eine edle Röte des Unwillens färbte seine Wangen, indem er diese Worte sprach. Die Schwester stand mit traurigen Blicken vor ihm, strich ihm sanft das Haar aus der Stirn und sprach, indem sie die Hand auf seinen Arm legte: »Du hattest sonst ein freudigeres Vertrauen, als weniger Sterne der Hoffnung am Horizont glänzten. Fasse Mut, Stephan! Wenn wir uns nicht an deiner freudigen Kraft aufrichten können, was soll uns halten und stützen?«
    Rasinski lächelte. »Ich habe jetzt bisweilen Stunden, wo ich alles trüb sehe, Schwester; es hält aber nicht lange an, und wo ich der Kraft, der Frische zum Handeln bedarf, fehlt sie mir nicht. Doch laß das jetzt; heute und morgen gehöre ich dir, gehöre ich der lieben Beschränkung des häuslichen Kreises an und will mich wohl darin fühlen. Selbst meine Blicke sollen über die heilige Grenze nicht hinausschweifen, welche die finstern Geister des Lebens wie eine geweihte Zauberlinie von uns zurückscheucht. Denn trete ich heraus aus dem Zauberkreise, so empfängt mich das offene Meer, und die losgelassenen Stürme mögen mit meinem Nachen nach Willkür spielen. Und wir haben auch noch häusliche Geschäfte abzutun,« fuhr er fort und warf einen Blick auf Lodoiska; »wir wollen deinen holden Pflegling nicht

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