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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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daß sie wahrhaft zum Herzen drangen. Und Ihnen sollte ich nicht einmal eine Rose zum Dank geben können! Aber hier ist ja noch eine«, sprach sie freudig und blickte auf die herab, welche in dem Gürtel ihres Kleides, an ihrer Brust blühte. Sie nahm sie und wollte sie an Lodoiskas Busen befestigen; doch diese widerstrebte, freundlich aber dringend ablehnend.
    Es war in der Tat ein anmutiges Schauspiel, diesen kleinen Kampf der beiden schönen Mädchen zu sehen. Alisette, in ihrem weißen, schleierartigen Gewande ein Bild des Frühlings, der jugendlichen Hebe; Lodoiska, im dunkeln seidenen Kleide ernst und doch freundlich. Auf Alisettens Wangen und Lippen das blühendste Rot, in dem blauen Auge die Freude selbst; flatterndes, leicht gelocktes braunes Haar. Jene der Lilie gleich, nur einen zarten, rosigen Hauch auf der Wange, das Auge ernst, sanft, groß, die Marmorstirn und der edle, blendend weiße Nacken von reicher Fülle des schwarzen Haares umschattet; weiblich, edel in der Haltung; lieblich, schüchtern in den zurückweisenden Bewegungen; Alisette stets in reizender Beweglichkeit, sie leicht umschwebend, schmeichelnd, anschmiegend, bittend.
    Endlich gelang es ihr, die Rose in dem goldenen Gürtelbande zu befestigen, welches das Kleid umschloß, und die zarte Blüte schimmerte reizend auf dem dunkelgrauen Grunde des Gewandes. »Nun bin ich zufrieden, nun bin ich glücklich«, rief Françoise aus, als sie gesiegt hatte. »Nun erst scheint mir die Rose schön; ich verdiene sie gar nicht.« Bei diesen letzten Worten bemerkte Bernhard einen Anflug von Schwermut in den heitern Zügen des Mädchens; es schien, als fühle sie reuig, daß in ihren letzten Worten eine bittere Wahrheit für sie enthalten sei.
    Sollte sie wirklich eine schöne Magdalena sein, für welche die Zeit der Buße noch nicht gekommen ist? dachte er bei sich und beschloß seine prüfenden Beobachtungen fortzusetzen. Als daher jetzt die Flügeltüren des Speisesaals geöffnet wurden, trat er zu ihr heran und bot ihr wie vor drei Tagen den Arm. Sie nahm ihn mit einem freundlichen Blick an und sprach: »Sie haben nicht Wort gehalten, in vielen Dingen nicht. Sie wollten mir für jedes Lied eine Zeichnung schenken, mich Ihr Reisezeichenbuch sehen lassen, mich sogar selbst malen! Aber alles das haben Sie vergessen, ja mich nicht einmal besucht, da wir doch Nachbarn sind. Nun, es ist wenigstens etwas, daß Sie doch jetzt an mich denken und bei Tische neben mir sitzen wollen.«
    Bernhard erwiderte diese scherzhaften Vorwürfe durch eine Erneuerung seiner Versprechungen; man ging zu Tische und er nahm mit Vergnügen an der Seite der liebenswürdigen Nachbarin Platz. Boleslaw saß auf der einen Seite neben Lodoiska, Jaromir auf der andern. Teils aus wohlwollender Höflichkeit, aber auch weil die Gräfin ihr einen Wink gegeben, sich nicht zu verraten und dem spähenden Auge Regnards oder der feinen Beobachtungsgabe Alisettens eine Blöße zu bieten, wandte sich Lodoiska viel zu Boleslaw, mit dem sie als ihrem Landsmanne und, wenngleich entferntern, Jugendbekannten gleichfalls viele Berührungspunkte hatte.
    Ludwig bemerkte, wie warm der ernste Jüngling wurde, welch ein mildes Feuer in seinem Auge glühte. Sollte ihm, dachte er, die schöne Nachbarin gefährlich werden? Er sah es mit Besorgnis, denn sein richtiges Urteil sagte ihm, daß eine Flamme in Boleslaws Brust nicht flüchtig auflodern und erlöschen könne. Zündete der Funke, so brannte die Glut im tiefsten Innern und dauernd fort. Gern hätte er ihn gewarnt; allein es war nicht möglich, und er hatte überdies Jaromir sein Versprechen des Schweigens gegeben. Und würde es gefruchtet haben? Wenn Boleslaw in diesem schönen Wesen das fand, was seine ernste Seele ganz erfüllen konnte, wenn die Macht der Liebe sich schnell und göttlich in ihm entzünden sollte, hätte es das Wissen von den sanften Fesseln, die schon den Freund umfangen hielten, geändert? Nein, nur mit tiefern Schmerzen wäre der glühende Pfeil in die Seele des Unglücklichen gedrungen. So blieb ihm mindestens die flüchtig verrauschende Minute eines schönen Traums, das Glück einer süßen Ahnung. Was hier nach ewigen, geheimen Gesetzen erfolgt, hindert niemand; drum bleibe es dem Allmächtigen und Allgütigen anheimgestellt.

Neuntes Kapitel.
    Den Tagen der Freude und des geselligen Verkehrs folgten jetzt Tage des Ernstes, der strengen Dienstbeschäftigung. Denn Rasinski wurde durch höhere Befehle gedrängt, die Bildung seines

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